piwik no script img

Wohnungspolitik in BerlinDem Senat schwinden die Mittel

Der freiwillige Mietendeckel kommt nicht, der Neubau bleibt hinter den Zielen zurück: Die Taktik der SPD in der Mietenpolitik geht nicht auf.

Geisel und seine treuesten Begleiter*innen: Un­ter­stüt­ze­r*in­nen der Enteigungs-Initiative Foto: dpa

Berlin taz | Der rot-grün-rote Senat verabschiedet sich von einem seiner wichtigsten wohnungspolitischen Ziele: Das im Koalitionsvertrag vereinbarte freiwillige Mietenmoratorium sei angesichts der hohen Inflation nicht mehr umsetzbar, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Samstag der Nachrichtenagentur dpa.

Damit fällt ein weiteres mögliches politisches Instrument der Landesregierung weg, um Verdrängung und Mietenexplosion in Berlin etwas entgegenzusetzen. Vor gut einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht den vom rot-rot-grünen Vorgängersenat beschlossenen Mietendeckel als rechtswidrig kassiert.

Eine Folge daraus war der vor allem vom SPD-Politiker*innen forcierte Versuch, große Ver­mie­te­r*in­nen von einer Zusammenarbeit mit dem Land und einem freiwilligen Mietenstopp zu überzeugen. „Wir suchen nach einem Weg, möglich zu machen, dass Vermieterinnen und Vermieter ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und dazu beitragen, die Wohnungsfrage zu lösen“, so Geisel zur dpa. Dabei gehe es nicht nur um Neubau, sondern auch darum, Menschen durch eine moderate Mietentwicklung vor Verdrängung zu schützen.

„Anfang des Jahres war unser Ansatz dafür, das über einen freiwilligen Mietenstopp zu machen, verbunden mit einem festen Prozentsatz von einem oder zwei Prozent für den Inflationsausgleich“, so Geisel. „Aber hier hat die veränderte Wirklichkeit voll zugeschlagen und uns diesen Weg versperrt.“ Von Anfang an hatte es jedoch Zweifel gegeben, ob sich die beim vom Senat initiierten Bündnis für Neubau und bezahlbare Mieten beteiligten Ver­mie­te­r*in­nen überhaupt auf ein solches Moratorium einlassen und wenn Ja, unter welchen Bedingungen.

Neuer Vorschlag von Giffey

Als Alternative brachten sowohl Geisel wie auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Wochenende eine Regelung ins Spiel, wonach maximal 30 Prozent des Haushaltseinkommens für Mieten ausgeben werden dürften. „Was eine leistbare Miete ist, unterscheidet sich – je nachdem ob eine Verkäuferin, eine Zahnärztin oder die Regierende Bürgermeisterin eine Wohnung mietet. Wenn die 30 Prozent als Maximum für jeden gelten, wäre das eine sehr gerechte Lösung“, sagte Giffey dem Tagesspiegel.

Die rapide steigenden Baupreise gefährden die ambitionierten Neubaupläne

Allerdings bleibt nebulös, was passiert, wenn die gezahlte Miete diese Grenze überschreitet. Giffey sprach von einem geregelten Verfahren etwa durch eine „öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe der Überschreitung feststellt und Mieterinnen und Mieter dabei unterstützt, dagegen vorzugehen. Oder die sich an die Partner im Wohnungsbündnis wendet und darauf hinwirkt, gegenzusteuern.“

Derzeit werde im Bündnis für Neubau und bezahlbare Mieten über eine solche Regelung gerungen, erklärte Geisel. Die Zeit drängt: Bis 20. Juni soll das Bündnis, an dem neben Po­li­ti­ke­r*in­nen auch die Immobilienbranche, der Mieterverein und Sozialverbände beteiligt sind, eine unterschriftsreife Vereinbarung erarbeitet haben. Das Bündnis ist der politische Gegenwurf Giffeys zum erfolgreichen Enteignen-Volksentscheid.

Dessen Un­ter­stüt­ze­r*in­nen trafen sich derweil am Wochenende zu einer Konferenz in den Räumen der Technischen Universität Berlin. Der neue Vorstoß von Geisel und Giffey wurde dort weitgehend abgelehnt. Unter anderem die Initiative für eine Mie­te­r*in­nen­ge­werk­schaft sprach von einer „Nebelkerze“ und kritisierte, dass laut der Regelung im Umkehrschluss den Ver­mie­te­r*in­nen 30 Prozent eines Haushaltseinkommens zustünden.

Die drastische Inflation und die rapide steigenden Baupreise gefährden allerdings die zweite Säule der Wohnungspolitik des Senats: die ambitionierten Neubaupläne. 20.000 neue Wohnungen jährlich hat Rot-Grün-Rot versprochen, gebaut von landeseigenen Gesellschaften, aber auch privaten Investoren. Wie allgemein erwartet, wird dieses Ziel zumindest 2022 sehr wahrscheinlich verfehlt, wie Giffey in dem Tagesspiegel-Interview einräumte. Sie nannte als Begründung den Krieg Russlands gegen die Ukraine, der „viel verändert“ habe, etwa die Kosten für Baumaterial.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Die Taktik der SPD in der Mietenpolitik geht nicht auf."

    Ich habe nichts anderes erwartet.



    Vielleicht sollte man Wowereit reaktivieren und ihn als Sonderbeauftragter für die Enteignung der großen Konzerne einsetzen, quasi als Wiedergutmachungsaktion. Quatschen kann er ja.

  • Ich habs….. ich weiss jetzt warum die SPD diesen Vorschlag bringt…. Vor einer Woche hatte sich doch Kühnert aufgeregt dass er trotz seinem Bundestagsgehalt in Berlin keine Wohnung findet….. mit Giffays Vorschlag wird er sofort eine Wohnung finden - problem gelöst… ja die Vetternwirtschaft bei der SPD funktioniert noch

  • Selbst wenn die Taktik der SPD nicht aufgehen sollte, bietet die Enteignungsini keine passende Alternative, den durch ihre Vorschläge wird das Problem des zu geringen Wohnraumbestandes in keiner Weise behoben.

    Ehrlicherweise müsste dann der Vorschlag der Wohnraumbegrenzung pro Person debattiert werden.

    • @DiMa:

      Unsinn!



      Man darf, nein man muss, die Profite der DW & Co angreifen.



      Frau Giffey tut tas erklärtermaßen nicht. Sollen lieber die Mieter bluten.

      Eine zeitlich begrenzte Zuzugssperre für Berllin wäre anzuraten. Auch kann von den Flüchtlingen nicht jeder hier in der Stadt bleiben, nur weil die das wollen.



      Die Kontingentlösung muss endlich auch durchgesetzt werden.

      Der Berliner Wohnungsmarkt befindet sich schon längst in einem Außnahmezustand.



      Nur Sprüche werden geklopft.

      Eine (!) vernünftige Maßnahme wäre es, große Wohnungen in denen nur 1 bis 2 Personen wohnen gegen kleinere zu tauschen.



      Dies wurde im TV erörtert und scheint durchaus viel Potenzial zu haben.

  • Die 30%-Regel dürfte dazu führen, dass Arme noch schlechter eine Wohnung finden. Warum sollte ein Vermieter sich auch darauf einlassen, die Wohnung jemandem zu geben, der ein Recht hat die Miete zu reduzieren? Außerdem wird man zukünftig bei Mietinteressenten 60+ abwinken, weil die bald in Rente gehen und weniger verdienen.

    • @MikeyBln:

      Alles nur halb durchdacht!



      Das zeigt die Unfähigkeit des Senats.

    • @MikeyBln:

      Sehe ich genauso! Was für ein Schwachsinn! Nach der Regel wird immer der Single AKADEMIKER die 4 Zimmer Wohnung bekommen und niemals der Familienvater der als Arbeiter arbeitet ! Es gibt nur ein einzigen weg aus dem dilemma das land mus bauen und oder sein vorkaufsrecht konsequent nutzrn

      • @Thomas Zwarkat:

        Also es gibt mit Sicherheit nicht nur einen Weg.



        Wichtig ist, dass man das auch will.

  • Die Taktik geht voll auf: Die SPD hat durch ihre "moderaten" Vorschläge die radikalen Vorschläge ausgebremst und damit ihr Ziel erreicht. Wer glaubt, dass diese SPD wirklich an einer Lösung der Wohnungsfrage interessiert sei, irrt.

  • dann ziehen eben nur zahnärzte ein... besser wäre jeder neubau und im altbau umgestaltung auszug in folgende aufteilung 1/3 arme mieter, 1/3 mittelstand und mit dem rest macht der vermieter was er will, also reichenvermietung. die armen wohnunge müssen unterschiedliche größen haben und dürfen nicht die allerschlechtesten sein. genial- daher wird es nie umgesetzt werden.

    • @schönBehindert:

      Etwas Ähnliches wird ja im reichen Singapur praktiziert. Da ist aber nicht das Einkommen maßgebend, sondern die Herkunft. Dort wird peinlich darauf geachtet, dass verschiedene Etnien in einem Haus wohnen - ansonsten keine Chance!