Wohnungspolitik in Berlin: Dem Senat schwinden die Mittel
Der freiwillige Mietendeckel kommt nicht, der Neubau bleibt hinter den Zielen zurück: Die Taktik der SPD in der Mietenpolitik geht nicht auf.
Damit fällt ein weiteres mögliches politisches Instrument der Landesregierung weg, um Verdrängung und Mietenexplosion in Berlin etwas entgegenzusetzen. Vor gut einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht den vom rot-rot-grünen Vorgängersenat beschlossenen Mietendeckel als rechtswidrig kassiert.
Eine Folge daraus war der vor allem vom SPD-Politiker*innen forcierte Versuch, große Vermieter*innen von einer Zusammenarbeit mit dem Land und einem freiwilligen Mietenstopp zu überzeugen. „Wir suchen nach einem Weg, möglich zu machen, dass Vermieterinnen und Vermieter ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und dazu beitragen, die Wohnungsfrage zu lösen“, so Geisel zur dpa. Dabei gehe es nicht nur um Neubau, sondern auch darum, Menschen durch eine moderate Mietentwicklung vor Verdrängung zu schützen.
„Anfang des Jahres war unser Ansatz dafür, das über einen freiwilligen Mietenstopp zu machen, verbunden mit einem festen Prozentsatz von einem oder zwei Prozent für den Inflationsausgleich“, so Geisel. „Aber hier hat die veränderte Wirklichkeit voll zugeschlagen und uns diesen Weg versperrt.“ Von Anfang an hatte es jedoch Zweifel gegeben, ob sich die beim vom Senat initiierten Bündnis für Neubau und bezahlbare Mieten beteiligten Vermieter*innen überhaupt auf ein solches Moratorium einlassen und wenn Ja, unter welchen Bedingungen.
Neuer Vorschlag von Giffey
Als Alternative brachten sowohl Geisel wie auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Wochenende eine Regelung ins Spiel, wonach maximal 30 Prozent des Haushaltseinkommens für Mieten ausgeben werden dürften. „Was eine leistbare Miete ist, unterscheidet sich – je nachdem ob eine Verkäuferin, eine Zahnärztin oder die Regierende Bürgermeisterin eine Wohnung mietet. Wenn die 30 Prozent als Maximum für jeden gelten, wäre das eine sehr gerechte Lösung“, sagte Giffey dem Tagesspiegel.
Allerdings bleibt nebulös, was passiert, wenn die gezahlte Miete diese Grenze überschreitet. Giffey sprach von einem geregelten Verfahren etwa durch eine „öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe der Überschreitung feststellt und Mieterinnen und Mieter dabei unterstützt, dagegen vorzugehen. Oder die sich an die Partner im Wohnungsbündnis wendet und darauf hinwirkt, gegenzusteuern.“
Derzeit werde im Bündnis für Neubau und bezahlbare Mieten über eine solche Regelung gerungen, erklärte Geisel. Die Zeit drängt: Bis 20. Juni soll das Bündnis, an dem neben Politiker*innen auch die Immobilienbranche, der Mieterverein und Sozialverbände beteiligt sind, eine unterschriftsreife Vereinbarung erarbeitet haben. Das Bündnis ist der politische Gegenwurf Giffeys zum erfolgreichen Enteignen-Volksentscheid.
Dessen Unterstützer*innen trafen sich derweil am Wochenende zu einer Konferenz in den Räumen der Technischen Universität Berlin. Der neue Vorstoß von Geisel und Giffey wurde dort weitgehend abgelehnt. Unter anderem die Initiative für eine Mieter*innengewerkschaft sprach von einer „Nebelkerze“ und kritisierte, dass laut der Regelung im Umkehrschluss den Vermieter*innen 30 Prozent eines Haushaltseinkommens zustünden.
Die drastische Inflation und die rapide steigenden Baupreise gefährden allerdings die zweite Säule der Wohnungspolitik des Senats: die ambitionierten Neubaupläne. 20.000 neue Wohnungen jährlich hat Rot-Grün-Rot versprochen, gebaut von landeseigenen Gesellschaften, aber auch privaten Investoren. Wie allgemein erwartet, wird dieses Ziel zumindest 2022 sehr wahrscheinlich verfehlt, wie Giffey in dem Tagesspiegel-Interview einräumte. Sie nannte als Begründung den Krieg Russlands gegen die Ukraine, der „viel verändert“ habe, etwa die Kosten für Baumaterial.
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