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WohnungsnotWohnheim ins "Horrorhaus"

Studierende besetzen leer stehendes Grindelhochhaus, um dort ein Studentenwohnheim zu errichten. Der denkmalgeschützte Block ist seit Jahren entmietet.

Symbolisch besetzt: das "Horrorhaus" am Grindel. Bild: Kai von Appen

Die Studierenden der Uni Hamburg haben das nachgeholt, was die Polizei am Aktionstag gegen Wohnungsnot verhindert hat: Am Mittwoch haben sie das leer stehende Grindelhochhaus in der Oberstraße 14 in Harvestehude besetzt und symbolisch ein Studentenwohnheim „in Selbstverwaltung“ errichtet. „Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag“, lautete die Parole.

„Die Stadt Hamburg hat keine Wohnungen für uns Studierende und Auszubildende, gleichzeitig müssen wir mit ansehen, dass hier Millionen Quadratmeter Büroflächen, Wohnungen und ganze Häuser leer stehen“, sagt Asta-Sprecher Simon Stülcken. „Das finden wir scheiße, darum wurde heute ein neues Wohnhaus eröffnet.“

Gegen Mittag war eine Gruppe Studierender in den 20-geschossigen Gelbklinker-Wohnblock nahe der Uni eingedrungen, wo mehr als 120 Wohnungen seit mindestens drei Jahren leer stehen, und hatten an der eingerüsteten Fassade ein Transparent entrollt. „Das ist ja der Wohnsinn.“ Vor dem Hochhaus versammelten sich rund 40 Studierende, um sich auf die Besichtigung des neuen Quartiers in der von ihnen so getauften „Alster City Süd“ vorzubereiten.

Die zwölf Grindelhochhäuser hatte die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Terrain des zerbombten jüdischen Grindel-Viertels von der Stadt errichtet. Die Häuser befanden sich zuletzt in der Hand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga / GWG, die das Haus Oberstraße 1985 an den Geschäftsmann und Millionär Ernst Gernot Meie verkaufte.

Während die Saga-Häuser mittlerweile saniert worden sind, veräußerte Meie das im Viertel so genannte „Horrorhaus“ an die Trigon Grundbesitz GmbH, deren Gesellschafterin Meies Ehefrau ist. Vor dem Gebäude steht zwar seit Jahren ein Gerüst, und gelegentlich werden auch Bagatell-Arbeiten durchgeführt, damit die Stadt die Eigentümer nicht nach Zweckentfremdungsverordnung belangt. Das Haus steht aber leer – bis auf ein Büro.

Derzeit lassen das Bezirksamt Eimsbüttel und die Behörde für Stadtentwicklung prüfen, ob es eine rechtliche Handhabe gibt, die Eigentümerin zur zügigen Sanierung zu zwingen. „Mehr als 120 Wohnungen kommen nicht an den Markt, obwohl sie dringend benötigt werden“, sagt Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD). „Mitten in Eimsbüttel ein Quasi-Leerstand – das kann nicht angehen“. Im Hamburger Abendblatt spricht SPD-Bezirkspolitiker Gabor Gottlieb sogar von einem „Bauskandal“. „Hier wird doch spekuliert, anders kann man das nicht erklären.“

Die Studierenden meinen es mit der Übernahme des Grindelhochhauses ernst. Sie wollten das Gebäude in Selbstverwaltung übernehmen oder das Studierendenwerk solle das Areal verwalten, sagt Stülcken „Uns ist wichtig, ein selbst verwaltetes, unkommerzielles Hausprojekt, quasi ein ’Wohnheim‘ zu haben, in dem wir alle Unterkunft bekommen.“

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9 Kommentare

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  • L
    Lorenz

    Zu was verpflichtet Eigentum eigentlich denjenigen, dem es in die Hand gegeben ist wirklich ?

  • SG
    SPDs Gedankenstütze

    Vorab an die TAZ. Es sind diverse Softwarebugs vorhanden.

     

    Die SPD hat offiziell einen jeden aufgefordert Leerstände zu melden.

    Dabei, was so nebenbei heraus kam, hätte die SAGA nur auf eine Taste am Computer drücken müssen.

     

    Das Tafelsilber wird dank unser absolut unfähigen Politiker an die HSH-England verscherbelt.

     

    Beamte müssen Inhalte umsetzen, inzwischen sind die Jobs zeitbefristet externalisiert. Sollen die doch die Wut der Bürger dank unfähiger Politiker aushalten!

     

    Wie damals, als die Beamten Aktion1005 durch führten.

    Das Kartenhaus wird einfallen.

  • WK
    wann kommt der

    Bewustseinssprung?

     

    Wann stellen Menschen endlich fest, das die SAGA mit der HSH verbunden ist?

    Erinnerung an die Neue Heimat, des DGB, SPD, Hamburger Filz! "Die Kassen gehen vor", das schon vor dem 1.WK.

    Und über diese Bank/en eine heftige Privatisierung nebst Gentrifizierung passiert?

    Das die SAGA mafiöse Geldvermehrung über die Betriebskosten betreibt? Der Hamburger Senat Zahlungen bewusst verhindert um mit den Geldern an der Börse kurzfristig zu spekulieren?

    Alljährlich ab Oktober das selbe Spiel, damit das Weihnachtsgeld der Beamten herein kommt.

     

    Til Schweiger erhielt ja nun von der SAGA seine Dacha im Niendorfer Gehege. Nachdem diese heftige Prozesse gegen Sozialprojekte führte.

     

    Diese Politik ist einfach nur noch widerlich.

  • D
    Detlev

    Das Ganze wird noch reichlich aggressiv werden, denn in der ganzen Stadt wird mit großer Freude spekuliert, hier in Barmbek steht seit zwei Jahren ein Laden leer, wenn man beim Vermieter nachfragt, kommt gar keine Antwort. Angeblich soll das mal ein Fahrradkeller werden. Da könnten aber drei oder vier Leute leben.

     

    Ich finde das nur normal, dass die Studenten das nicht mehr hinnehmen wollen. Allerdings sind die Politiker-Äußerungen reichlich bigott, denn sie sind verantwortlich und sie könnten auch anders vorgehen. So läuft es eben darauf hinaus, dass die Menschen die Politik selber zurück holen müssen und das heißt besetzen, instandsetzen. Der Masse wird das aber nichts bringen, denn die sitzt in der Klemme zwischen Job, Familie und Zeitnot.

  • M
    mamacourage

    Das ist ein Riesenskandal, was in Hamburg wohnungsmäßig läuft.

    Besetzungen sollten legalisiert werden, damit man in all die gut ausgestattete leerstehenden Büroräume einziehen kann mit seinen Kindern.

  • EM
    Edgar Moroon

    Ich wohne nebenan. Und ich finde es überhaupt nicht gut, dass eine Gruppe selbst ernannter Hausbesetzer Unfrieden in meine direkte Nachbarschaft trägt. Ebenso finde ich es nicht gut, dass sich der Herr Bezirksamtsleiter - der aus meiner Sicht bisher nur mit Seifenblasen - Ideen wie z. B. das LOGO an den Grindelberg zu verpflanzen glänzte - wichtig macht und Öl aufs Feuer gießt. Dieser Herr gehr abends nach Hause - ich muß als Nachbar den Mist hinnehmen, den dieser Herr und all die anderen wichtig tuenden Aktenartisten im Bezirksamt täglich verzapfen.

    Keine Solidarität? Doch, sicher. Wohnen ist auch nach meiner Auffassung ein Menschenrecht. Aber diese Sache stinkt: Vor ein paar Tagen medial empörte Berichterstattung und administrative Elefantentränen des Herrn BAL, weil man als Verwaltung angeblich keine Möglichkeit zum Einschreiten habe - und nun aus heiterem Himmel die illegale Besetzung? Schade, dass die Presse nicht mehr recherchiert ... Und was wird es letzten Endes bringen? Sind die Eigentümer klug, werden sie die Besetzer machen lassen und nachher behaupten, dass es jetzt eben noch länger dauert, das Haus instandzusetzen. Schließlich müssen ja nun auch noch " Vandalismusschäden " beseitigt werden. Und dass die " romantischen " Vorstellungen der Besetzer zu nichts führen, ist doch wohl jedem klar? Das Haus hat einen Eigentümer. Und das ist nicht die Stadt und auch nicht das Studierendenwerk. Harvestehude ist auch nicht die II. Hafenstraße. Die Mitarbeiter der " Vereinigung " sollten lieber ganz schweigen. Diese Herrschaften hetzen armen Familien wegen ein paar Euro fuffzig Inkassobiester auf den Hals, beschweren sich aber im TV über ein " unschönes Arbeitsumfeld." Fazit: Hat ja Alles mal wieder bannig viel gebracht, Kinners.

  • S
    Slimak

    Geile Aktion, weiter so und lasst euch nicht einschüchtern oder entmutigen. Das dumme Gesülze der PolitikerInnen, die schon längst hätten aktiv werden können, wenn sie denn gewollt hätten,dieskreditiert die Herrschaften nur und zeigt, dass sie sich einen Dreck um die Belange der Bevölkerung kümmern. Sind ja auch mit ihrer eigenen Privilegierung mehr als ausgelastet.

  • WR
    Weiße Rose

    Politik, Justiz und Polizei sind gut beraten, nunmehr besonnen mit der Erkenntnis zu reagieren, dass die Notlage der verzweifelt Obdach suchenden Studenten keine andere Möglichkeit mehr zuließ.

    Auch wenn jetzt die Gewinne, der an der misslichen Situation nutznießenden Spekulanten, kurz geschmälert werden, müssen Besitzende, Obrigkeit und deren Vollstrecker nicht in Panik verfallen. Für euch bleibt - wie immer - genug!

  • J
    johnny

    Arbeiter aller Länder, erhebt euch!

    Aber versteht, wer euch das Geld vorenthält!

    Es sind die Akademiker, die erst auf eure Kosten ungebracht werden wollen, die dann auf eure Kosten studieren und die anschließend, wenn sie ein vielfaches von eurem Lohn verdienen für größtenteils sinnloses Geblubber, ihre Steuern nicht zahlen wollen und nach Fluchtmöglichkeiten suchen.