Wohnungsmarkt 1: Mietsteigerungen wecken Politiker auf
SPD und Grüne fordern vom Bund neue Regelungen des Miet - und Baurechts. Berlin soll eine Bundesratsinitiative gegen überteuerte Mietpreise starten, sagt der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz.
Horrende Mieten in Mitte, Kreuzberg nur noch für Reiche - die Angst vor unbezahlbarem Wohnraum und sozialer Verdrängung lässt jetzt auch die Politiker nervös werden.
Nachdem vor kurzem SPD-Sozialexpertin Ülker Radziwill die Bundesregierung aufforderte, "einen Schutzschirm für die Mieter aufzuspannen", stellt sich nun auch Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), hinter seine Bewohner. Er mahnt in einem offenen Brief den Senat an, gegen die steigenden Mieten in seinem Kiez vorzugehen. Das Land Berlin solle deshalb eine Bundesratsinitiative starten, damit sowohl das Bürgerliche Gesetzbuch als auch das Bundesbaugesetz geändert werden.
Das ist nötig, denn Mietrecht ist bundesweit geregelt. Im Wirtschaftsstrafgesetz ist festgelegt, dass bei Neuvermietungen von Wohnraum eine Mieterhöhung von über 20 Prozent über dem durchschnittlichen Mietwert in sogenannten Mangellagen sittenwidrig ist und bestraft wird. In Hamburg und München wird das gerichtlich seit Jahren auch eingefordert.
Anders in Berlin: Das Oberverwaltungsgericht hatte im Jahr 2000 die Stadt mit ihrem Leerstand an Wohnungen nicht als Mangellage eingestuft. Seitdem kommt es laut Schulz und dem Mieterverein zu Mietsprüngen von bis zu 50 Prozent und mehr bei einem Mieterwechsel.
Deshalb fordert der Grünen-Politiker Schulz nun, Mieterhöhungen bei Neuvermietungen generell zu deckeln und zwar beim Mittelwert des jeweiligen Mietspiegels. Auch solle es Mietobergrenzen in Sanierungs- und in Millieuschutzgebieten geben. Desweiteren will Schulz gesetzlich festschreiben lassen, dass innerhalb von drei Jahren die Miete nur zwischen sechs und neun Prozent, je nach die Inflationsrate, erhöht werden darf.
Damit geht Schulz in seinen Forderungen weiter als der Berliner Mieterverein. Der hält eine Kappung von 15 statt neun Prozent für realistischer. Außerdem reiche es aus, das Gesetz für Neuvermietungspreise auf Berlin anzuwenden. Dazu, sagt Reiner Wild, stellvertretender Geschäftsführer vom Mieterverein, müsste die Justiz für einzelne Gebiete in der Stadt und nicht für die gesamte "Gemeinde" eine Mangellage anerkennen.
Dass etwas getan werden muss, dessen ist sich auch die SPD bewusst. Neben Sozialpolitikerin Radziwill setzt sich auch der wohnungsbaupolitische Sprecher der Fraktion, Michael Arndt, für kieznahe Regelungen ein. "Die Berliner sind auf ihre Räume, wo sie ihre Identität haben, angewiesen." Allerdings ist er skeptisch, ob eine Bundesratsinitiative Erfolg haben wird. Eine ähnlicher Versuch, die Mieten zu begrenzen, sei vor 10 Jahren auf Bundesebene kläglich gescheitert.
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