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Durchs wilde DröhnlandWohnungsauflösung

■ Die besten und fiesesten Konzerte der kommenden Woche

Sagt tschüß! zu Wohnung. Dies ist der letzte Auftritt des einzigen philosophischen Diskutierzirkels, der sich als Popband versuchte. Am Ende dieses Versuchs steht ein knapp gescheiterter Plattenvertrag mit dem Berliner Label Kitty-Yo und die Erkenntnis, daß „wir ohnehin der Verbindung von Erfolg und Arbeit nicht gewachsen sein würden (dem Erfolg schon, aber nicht der Arbeit)“. So heißt es jedenfalls im offiziellen Statement der Band, die – je nach aktueller Erscheinungsform – auch schon mal zu vier Fünfteln aus Philosophiestudenten bestand.

Wenn sie denn überhaupt bestand. Genau auf diese Unbeständigkeit wollte sich auch Kitty-Yo nicht einlassen: Eine Platte ohne Gesichter zu verkaufen erschien ihnen zu schwierig. Entgegen der vorherrschenden Meinung allerdings war das Prinzip von Wohnung nicht das Chaos. Das Chaos war einfach immer da. Woran schließlich auch die Veröffentlichungen scheiterten: Es gab immer gute Gründe, aber schlußendlich konnte man einfach nie fertig werden mit den Platten. Also gibt es nun in der Stadt verteilt auf hastig bespielten CD-Rohlingen mehrere Dutzend verschiedener Versionen und Abmischungen verschiedenster Platten von Wohnung. Und fast alle sind Unikate. Aber etwas Endgültiges gibt es nicht zu kaufen.

Vielleicht schmeißen sie noch ein paar ins Publikum heute nacht. Außerdem habe man sich auch nicht mehr wohlgefühlt, immer mit dem Konzept von den Wohnungsbars in Verbindung gebracht zu werden, auch wenn man es zusammen mit dem notorischen Karel Duba erst erfunden hat: „Gegen die, die in eiserner Selbstgewißheit das Idyll propagieren, sagen wir: Aber wir sind schon ausgezogen. Jetzt aber muß mit dieser Sache ernst gemacht werden, damit sich Wohnung als das erweist, was es von Anfang an war: ein belangloses Thema.“ Aber bis zum Schluß die alte Koketterie.

14.8., 22 Uhr, Galerie Kunst & Technik, Monbijoustraße, gegenüber Bodemuseum, Mitte

Nun ist es vielleicht nicht mehr schrecklich hip, Pop aus Japan für angesagt zu halten, aber den Pop aus Japan stört das gar nicht. Der ist so gut wie immer, lustig, bunt und eklektizistisch, und das einzige, was da drüben momentan prosperiert und noch gerne exportiert wird. Weswegen die Tanzbodenbeherrscher vom Berliner Kleinlabel Bungalow mal wieder eine Japan- Compilation herausbringen, die diesmal „Sushi 4004“ heißen wird.

Zur Feier dieses Ereignisses legen Yasuharu Konishi von Pizzicato Five, Tomoyuki Tanaka von Fantastic Plastic Machine und Yoshinori Sunahara von Denki Groove auf.

Unterstützt werden sie dabei neben anderen von den Label- Chefs höchstselbst, die mal wieder unter ihrem altbekannten Nom de guerre Le Hammond Inferno die Plattenkiste auspacken.

18.8., 22 Uhr, Kalkscheune, Johannisstraße 2, hinter dem Friedrichstadtpalast, Mitte

Pünktlich zum anlaufenden Achtziger-Jahre-Revival kommen auch die Gebeine des Universal Congress Of wieder. Der hatte damals den Spagat zwischen Jazz- und Independent- Rock-Publikum geschafft, weil man zwar auf dem Langhaarigen-Label SST veröffentlichte, zum Teil auch elektrisch verstärkte Instrumente benutzte, aber eigentlich ebenso knochentrockene wie klassische Improvisationen ablieferte.

Das langjährige Universal- Congress-Of-Oberhaupt Joe Baiza scheint für sein Nachfolgeprojekt Mecolodiacs den Congress einfach halbiert zu haben. Das musikalische Konzept ist zwar das alte, die Besetzung aber gesundgeschrumpft. Übernommen wurden nur die alten Congress-Mitglieder Rafa Gorodetsky (Bass) und Wayne Griffin (Schlagzeug). Kein Wunder, daß Baizas Gitarre das Geschehen dominiert. Manchmal tut das allerdings auch seine unvergleichliche Stimme, die schon mal an eine schlechtgelaunte Ziege erinnert. Weil der Kongreß nie so recht tanzen konnte, ist die Erweiterung, die Kool Ade Acid Test wagen, zumindest eine nette Idee. Steve Moss, der zu Congress-Zeiten sein Saxophon meist verstecken mußte, und Steve Gaeta, dessen Bass den Teppich für Baizas Improvisationen legte, gönnen sich nun alle Freiheiten. Das Ergebnis ist nicht sonderlich elegant, aber jederzeit am grooven. Integriert werden ein wenig fauler Blues, schneidende Funk-Gitarren und selbst Lateinamerikanisches. „Mecolodics“ nannte Baiza damals die Musik, die der Universal Congress Of spielte. Inzwischen scheint es, als seien die ehemaligen Mitstreiter näher an der Lautmalerei dieses Begriffs als der Ex-Chef mit dem Projekt, das er danach benannt hat.

19.8., 21 Uhr, Insel, Alt Treptow 6, Treptow

Bei Rockwettbewerben setzt sich meist der kleinste gemeinsame Nenner durch. So ist das auch im Hessischen, wo sich L.I.R., was für Losers In Retirement steht, vor zwei Jahren im lauschigen Taunusstein zusammentaten. Es folgte der zweite Platz beim Crossover-Wettbewerb des Landes Hessen, ein Sonderpreis der Deutschen Phonoakademie und eine dadurch finanzierte CD-Produktion. Die hört sich nun so mächtig und gewaltig an, wie man sich in Taunusstein möglicherweise große Rockmusik vorstellt, auch wenn darunter die eigentlich recht guten Songs ziemlich zugeschüttet werden.

Noch liegt das Durchschnittsalter des Quintetts aber erst bei 18 Jahren, und so lange ist es ja noch nicht her, daß sich Soundgarden aufgelöst haben. Zugestehen muß man L.I.R. immerhin, daß sie souverän mit sämtlichen Schattierungen des dramatischen Kitsches spielen. Pearl Jam hat eben das und der daraus folgende Erfolg in Identitätskrisen gestürzt. Bei L.I.R. prangt schon jetzt ein Hirschgeweih überm Promotion-Foto-Sofa.

20.8., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei

Thomas Winkler

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