: Wohnen statt kompostieren
Kein Kompostwerk: Traute Müller ist Siegerin im Clinch um ■ Bergedorfer Kleingartengebiet
Traute Müller hat sich durchgesetzt: Für 400 Wohnungen müssen 450 Schrebergärten und das geplante Kompostwerk am Curslaker Neuer Deich weichen. Nach monatelangem Tauziehen entschied sich der Senat gestern für den Wohnungsbau, gegen Ökologie. Statt 1300 Wohneinheiten können nun 1700 Wohnungen, zum Großteil im sozialen Wohnungsbau auf der Neubaufläche im Osten Bergedorfs entstehen. Traute Müller gut gelaunt: „Ein wichtiger Schritt der Entwicklung Bergedorfs in Richtung Osten“.
Den heute im Plangebiet lebenden Kleingärtnern sollen Ersatzflächen angeboten werden, die — nach derzeitigem Planungsstand — im Süden der Autobahn A 25 unweit der Abfahrt Bergedorf liegen. Die endgültige Entscheidung über die zukünftige Heimat der Lauben wird allerdings erst in einigen Jahren fallen: wenn die für den Wohnungsbau notwendige Bebauungsplanänderung unter Dach und Fach ist. Die Schreber haben aber bereits entschiedenen Widerstand gegen ihre Vertreibung angekündigt, wollen den Konflikt um ihre Lauben 1995 zum Wahlkampfthema machen.
Neben den Kleingärtnern steht vor allem Umweltsenator Fritz Vahrenholt als Verlierer da. Zwar hat er bereits zwei Ausweichstandorte für das geplante Kompostwerk im Visier, doch das Ausweichmanöver kostet Zeit. Frühestens 1996 könnte die nun in Moorfleet nahe dem Schlickhügel Feldhofe geplante Anlage in Betrieb gehen. Im Klartext: Mindestens um zwei Jahre muß die Kompostsammlung in Bergedorf verschoben, müssen 30000 Tonnen Bio-Müll stattdessen verbrannt oder deponiert werden. Der Ausstieg Hamburgs aus der Abfalldeponie Schönberg rückt damit in noch weitere Ferne.
Ein weiterer Knackpunkt: Die Hansestadt hatte Schleswig-Holstein in Aussicht gestellt, in dem neuen Werk ab 1994 jährlich 6000 Tonnen Kompost-Abfälle aus dem Kreis Storman-Lauenburg zu entsorgen. Im „Müllkrieg“ der beiden Nachbarländer um die Nutzung der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld kann sich die Kieler Landesregierung nun darauf berufen, daß auch die Hansestadt ihre Zusagen nicht einhält.
Fritz Vahrenholt versucht der umstrittenen Senatsentscheidung „Charme“ abzuringen, indem er betont, daß der nun anvisierte Standort groß genug ist, um hier doppelt soviel Bio-Müll zu verarbeiten wie bislang vorgesehen. Damit könnte das im Planungsdschungel hoffnungslos verhedderte Kompostwerk im Hafengebiet überflüssig werden. Sollte allerdings der Standort in Moorfleet sich als ungeeignet erweisen, hat Vahrenholt noch einen Trumpf im Ärmel: Er darf dann Traute Müller das Gebiet am Curslacker Neuen Deich erneut streitig machen. Marco Carini
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