Rechtsradikalismus.: Woher der wohl kommt?
[. . .] Viele bereits in den vergangenen Jahren in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studien haben eindeutig bewiesen, dass „insgesamt 13 Prozent der Wahlbevökerung ein ideologisch geschlossen rechtsextremistisches Weltbild haben, dessen Hauptstützen ein nationalsozialistisches Geschichtsbild, Hass auf Fremdengruppen sowie eine übersteigerte Verehrung von Volk, Vaterland und Familie sind“. Ich behaupte, dass die Dunkelziffer der so genannten Mitläufer, die diesen Theorien anhängen, noch weit höher ist. Alle diese Menschen gilt es wieder zu erreichen und für unsere demokratische, multikulturelle Gesellschaft zurückzugewinnen.
Überzogene Forderungen nach Gesetzesänderungen und populistische Sprüche von vielen Politikern nach „mehr Härte gegen rechts“ helfen da überhaupt nicht weiter, zumal dieselben Politiker über all die Jahre ja immer wieder zur Verharmlosung des Rechtsradikalismus beigetragen haben: Nun sind sie natürlich schnell dabei, die demokratischen Rechte massiv beschneiden zu wollen! Es muss wieder mehr für unser demokratisches Staatswesen investiert werden, nicht nur finanziell, auch ideell, sonst laufen wir Gefahr, die beiden Chancen, die uns Deutsche die Geschichte mit dem demokratischen Neuanfang 1945 und mit dem Mauerfall 1989 gegeben hat, schnell wieder zu verspielen.
THOMAS HENTSCHKE , Berlin
[. . .] Gerade die Politiker der rot-grünen Regierung tun sich jetzt mit Sonntagsreden hervor, verlangen unter anderem eine Ausweitung der politischen Bildung. Dabei war es gerade die rot-grüne Regierung in Kiel, die sich in ihren Koalitionsverhandlungen gegen eine Ausweitung der politischen Bildung in den schleswig-holsteinischen Schulen entschloss.
Die Grünen hatten vor der Wahl die Forderung erhoben, das Schulfach Wirtschaft/Politik als Hauptfach ab der siebten Klasse einzuführen – als präventive Maßnahme gegen Rechtsextremismus. In den Koalitionsverhandlungen war die SPD jedoch entschieden dagegen und den Grünen war der Machterhalt wichtiger als eine Investition in die Stabilität der Zukunft unserer Demokratie. SÖNKE ZANKEL, Kiel
[. . .] Ich gehe zum Bahnhof, um zur Arbeit zu fahren . In der Zeitung waren wieder Berichte über Rassismus, rechtsextreme Gewalt. Ich frage mich woher das wohl kommt, auf einmal.
Ich gehe an den Grenzbeamten vorüber, die wie fast jeden Morgen Pässe kontrollieren, von Menschen, die fremd, südländisch aussehen. Ich frage mich weiter, woher das kommt mit dem Rassismus. Mitarbeiter des Ordnungsamtes führen einen Obdachlosen weg, weg aus dem Blickfeld, sie tragen Handschuhe, mitten im Sommer. Aber woher kommt dieser Rassismus so plötzlich ? Im Zug hat ein alter Mann Mühe einen Sitzplatz für seine gebrechliche Frau zu finden, ganz zu schweigen von einem für sich, es ist Berufsverkehr. Immer noch grüble ich, woher das wohl alles kommt.
Vor dem Bahnhof sitzen junge Leute mit Frisuren, die keine mehr sind, Glatzen, sie pöbeln Passanten an, die Polizei kontrolliert einen Schwarzen. Woher kommt das auf einmal ?
In einer Vorabendserie entpuppt sich ein Asylbewerber als Gangsterboss, glücklicherweise ermittelte die Fernsehpolizei, trotz Vorbehalte gegen die eigenen Vorurteile, weiter. Und ich weiß immer noch nicht, woher so plötzlich, wie aus dem Nichts, dieser Rassismus kommt; ich verstehe es nicht, es ist doch alles wie sonst?! TOM FINKE, Dortmund
betr.: „Streit um künftiges Demorecht“, taz vom 11. 8. 00
[. . .] Aktive Demokratie heißt, dass man Einfluss auf das Geschehen hat. Natürlich gibt es gewisse Grenzen, aber es gibt gewiss eine Verhandlungsbasis.
BürgerInnen, die im Rechtsextremismus eine Lösung ihrer Probleme sehen, brauchen zunächst das Gefühl, dass sie autonom sind, das heißt, dass ihnen Entscheidungen zugetraut werden und sie deswegen auch dafür verantwortlich gemacht werden können. Sie brauchen die Gewissheit, dass ihre Wünsche und Vorstellungen in einer Demokratie auch Gewicht haben und nicht immer der Modernisierung weichen müssen. Aktive Demokratie heißt Selbstbestimmung und kann nicht auf dem zweiten Arbeitsmarkt geparkt werden. Und schließlich heißt Demokratie, dass der Staat sich von allen BürgerInnen ansprechen lässt, auch von denen, die nicht gewählt haben.
Der Staat braucht die Zivilcourage, in die Stadtteile zu gehen, wo Jugendliche von der NPD rekrutiert werden. Er muss dort an Boden gutmachen, wo er sich zurückgezogen hat. Er muss nicht nur verbieten, einschränken, bekämpfen und zerschlagen, sondern auch aufbauen, öffnen, zuhören und handeln. Erst dann wird die Demokratie auch das aushalten können, was über Verbote hinausgeht. RONALD MATTHISJSSEN, Scheemda, Niederlande
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