Nachgefragt: Wo sind nur die Akten?
■ Akten können weiter bei der Bremer Staatsanwaltschaft verschwinden
Der ehemalige Oberstaatsanwalt von Bock und Polach ist angeklagt, weil er Strafvereitelung im Amt betrieben haben soll. Nach seiner Ernennung zum Staatsrat im Innenressort waren 170 Akten unbearbeitet, manche nicht registriert, in seinem Dienstzimmer gefunden worden. Von Bock erklärt den Aktenberg mit persönlicher Überlastung. Die taz fragte daraufhin den leitenden Oberstaatsanwalt Jan Frischmuth, wie der Aktentransport in seinem Hause heute organisiert ist.
taz: Eine Akte kommt zur Staatsanwaltschaft, was passiert?
Jan Frischmuth: Neunzig Prozent der Akten kommen von der Polizei. Sie werden an die Dezernate überwiesen. Die EDV registriert sie. Dann geht es über die Geschäftsstelle zu den einzelnen Abteilungsleitern oder Dezernenten.
Gibt es noch den guten alten Eingangsstempel?
Ja, das ist eine der wichtigsten Dokumentierungen.
Gibt es Akten ohne Stempel?
Es kommt vor, daß die Polizei unmittelbar einem zuständigen Sonderdezernenten die Akte vorlegt.
Und der macht den Eingangsvermerk?
Normalerweise ja. Aber das unterbleibt schon mal.
Woran sehen Sie, wenn Akten auflaufen?
Wir haben verschiedene Kontrollinstrumente. Wir schauen monatlich, wieviele Verfahren sind eingegangen, wieviele sind rausgegangen. Wenn sich das die Waage hält, ist alles normal. Wenn irgendwo der Aktenstand konstant hoch ist oder ständig wächst, dann muß man direkt nachfragen.
Wer fragt nach?
Ich.
Spapeln sich jetzt irgendwo Akten.
Da liegen ja keine Haufen, die Bearbeitungsfristen werden nur länger. Nur in Extremfällen finden Sie Akten im Zimmer der Dezernenten. Es gibt da sehr individuelle Arbeitsstile. Der eine Dezernent hat einen blanken Schreibtisch, da liegen die Akten aber auf der Gechäftsstelle. Der andere kann sich nicht trennen, zu denen gehöre ich leider auch.
Können Akten verschwinden?
Theoretisch nicht. Praktisch ja. Wir nennen das, Akten geraten außer Kontrolle. Sie haben eine Akte, legen eine andere da rein, schon ist eine Akte verschwunden. Kritisch wird es, wenn die Akte nicht registriert war, dann findet man sie nicht wieder. Fragen: Thomas Schumacher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen