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Wo sind die großen Kampagnenstrategen und Unterschriftensammler? Nichts zu hören von den Herren Koch und Rüttgers.Die Macht einiger weniger

betr.: „Brandanschlag auf Synagoge verübt“, taz vom 4. 10. 00, „Perspektive, verzweifelt gesucht“, „Die Wirkung symbolischer Taten“, taz vom 5. 10. 00

Warum muss ich als Deutsche in meinem Deutschland in Angst leben? Diese Frage richte ich an all die, die mir zur Antwort geben: „Es sind doch nur wenige, die rechtsradikal oder ausländerfeindlich sind.“

Diese Aussage nimmt mir doch nicht die Angst. Die Angst einer Mutter von drei dunkelhäutigen deutschen Kindern. Die Angst, wenn die Kinder später nach Hause kommen, die große Angst, dass sie jemand zusammengeschlagen hat, nur weil sie dunkelhäutig sind. Warum bekommen wir Drohbriefe, die uns Angst machen? Warum gehen wir aus Angst nur schlafen, wenn alle Fenster zu und die Rolläden unten sind? Warum machen uns Menschen Angst, die uns nicht einmal kennen?

[...] Welch eine Macht haben doch so wenige in meinem Deutschland. NAME und Anschrift sind der Redaktion bekannt.

Die Fremdenfeindlichkeit in der BRD ist erschreckend. Wie wäre es denn, wenn die Zeitungen einmal mit gutem Beispiel vorangingen? Zum Beispiel, es könnte doch ein- oder zweimal pro Woche die jeweilige Zeitung in einer anderen Sprache gedruckt werden. Da würden die BRDler aber dumm gucken, wenn sie die Zeitung nicht verstehen würden. Dann müssten sie einen Griechen, einen Türken, einen Jugoslawen ... bitten, die Zeitung zu übersetzen. Dann würden sie sehen, was es bedeutet, in der Landessprache Bescheid zu wissen. DAGOBERT R. FORNER, Kerpen

Was erwarten wir eigentlich für eine Atmosphäre in unserem Land?

Immer wenn es ihr nützt, bedient die größte Oppositionspartei im Bundestag, die CDU, dumpfe Fremdenfeindlichkeit. Eineinhalb Jahre nach der widerlichen Kampagne gegen den Doppelpass („Wo kann ich denn hier gegen Ausländer unterschreiben?“) und ein halbes Jahr nach der „Kinder statt Inder“-Hetze erschrickt die Republik über Rechtsradikalismus und Mord? Und da suchen wir wirklich noch nach den Ursachen? Wo sind die großen Kampagne-Strategen und Unterschriftensammler denn jetzt? Nichts zu hören von den Herren Koch und Rüttgers? Oder taugen die nur zur Mobilisierung des menschlichen Unverstandes durch populistische Kampagnen? Scheinbar jedenfalls nicht zum „Aufstand der Anständigen“. Warum benennen wir nicht die Biedermänner, die das Benzin liefern.

SVEN SIEBENMORGEN, Oberhausen

Mich kotzt die Heuchelei des „Medienkanzlers“ Schröder an! Hat er nicht die „Bataillone“, die Mobilisierung organisieren könnten? Er hält Sonntagsreden. „Arsch huh“ in Köln ist ein Beispiel, wie man es machen könnte. Aber Schröder bleibt eine „Sprechblase“ und setzt seine „Bataillone“ für sich und seine Machterhaltung ein. Widerlich! HEINRICH KIES, Köln

Die Feierlaune zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit wollte gar nicht so richtig aufkommen, denn leider haben zum wiederholten Male rechtsextremistische Anschläge und Überfälle die Schlagzeilen in den letzten Tagen bestimmt.

Was muss eigentlich noch geschehen, bis die Mehrheit unserer Bürger endlich kapiert, was sich hier in unserem Lande – 55 Jahre nach dem Holocaust – abspielt? Haben Dummköpfe und Ignoranten, die von Auschwitz, Majdanek, Buchenwald, Dachau und Theresienstadt nichts wissen wollen, wieder die „Vorherrschaft“ in unserer Bevölkerung übernommen? Wann wird endlich massiv gegen jegliche Art von Diskriminierung und Intoleranz in unserer multikulturellen Gesellschaft vorgegangen? [...]

THOMAS HENSCHKE, Berlin

„Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, kommentierte NRW-Ministerpräsident Clement den Anschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge. Sein Kollege, Außenminister Fischer, hatte vor einigen Monaten bei anderer Gelegenheit ähnlich gesprochen: „Es macht mich unglaublich wütend, dass in unserem Land fast jeden Tag mörderische Anschläge auf Ausländer stattfinden.“ In welchem Land leben diese Herren, dass ihnen im Jahr 2000 Gewalttaten mit antisemitischer und rassistischer Motivation eine Überraschung sind? Kann man sie ernst nehmen, wenn sie bei immer neuen „Anlässen“ lediglich ihr Unverständnis beweisen für gesellschaftlich-politische Vorgänge, die für das Klima hierzulande seit Jahren bedeutsam sind? In West wie Ost.

[...] Schröder findet, weil er das für Politik hält, mal wieder „harte und entschiedene Worte“. „Es reicht!“ ist eine seiner Parolen. Daraus sollen wir wohl schließen, dass es vor dem neuesten Düsseldorfer Anschlag noch nicht gereicht hat? „Wegschauen ist nicht mehr erlaubt“, plaudert Schröder sinnentleert weiter. „Nicht mehr“? Vorgestern war es also noch erlaubt? Und schließlich ruft er nach einem „Aufstand der Anständigen“. Aber haben nicht gerade die Rechten und Rechtsextremen die „Anständigkeit“, „Reinheit“ und „Sauberkeit“ derart deutlich auf ihre Fahnen geschrieben, dass es nicht möglich ist, ihnen auf voluntaristische Art diese Begriffe wieder zu entreißen? War nicht der Ruf nach Zivilcourage genau das, was diese Gesellschaft braucht und was Schröder jetzt konterkariert?

Schröder und Co beweisen auf immer wieder neuen „Höhepunkten“ rechtsextremer Gewalt nicht nur ihr Unvermögen zu begreifen, was da geschieht. Sie finden offensichtlich auch nur abgegriffene Parolen und Schablonen, die vor allem eins beweisen: Sie sind nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.

RICHARD KELBER, Dortmund

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