Claudia Guderian präsentiert im Literaturzentrum ihr Buch „Magie der Couch“ : Wo sich die Seele am liebsten verstecken würde
„Magie“ und „Couch“ – zwei Begriffe, die ganz unterschiedlichen Bedeutungssphären angehören und sich nur schwer zu einem Wortpaar fügen wollen. Was also verbirgt sich hinter der „Magie der Couch“? So lautet der Titel eines ungewöhnlichen Buches, das die Hamburger Autorin und Fotografin Claudia Guderian am Montag im Literaturzentrum vorstellt.
Mit der Kamera ist sie in Räume vorgedrungen, die sich dem öffentlichen Blick normalerweise entziehen: die Behandlungszimmer der PsychoanalytikerInnen. Hier, wo im Verlaufe der Analyse das Innerste nach Außen gekehrt wird, beherrschen wie zu Freudschen Zeiten noch immer zwei Möbelstücke den Raum – die Couch und der Sessel des Analytikers. Zusammen bilden sie das sogenannte „Setting“.
Guderian hat zahlreiche dieser Einrichtungen fotografiert und die AnalytikerInnen dazu befragt. Sie wollte unter anderem wissen: Warum gerade diese Couch? Warum dieser Abstand zwischen Sessel und Couch? Und oft hat sie die Frage gestellt, ob letzterer nicht eine Art von Magie anhafte.
Bilder und Gespräche sind in Magie der Couch nun zusammengefügt. Ausgangspunkt ist die besondere Bedeutung des Settings für die Methode der Psychoanalyse: Gerade die liegende Haltung des Analysanden, die Tatsache, dass zwischen ihm und Analytiker in der Regel kein Blickkontakt besteht, sollen seine assoziativen Gedankengänge und Bilder sowie das Sprechen darüber befördern. Welche Bedeutung hat der individuelle Behandlungsraum für den analytischen Prozess im Lichte von Guderians These, dass für den Analysanden „die Grenzen zwischen analytischem Raum und Analytiker selbst verschwimmen“?
Der Raum wird für den Behandlungserfolg nicht zu unterschätzen sein und zu einem Entscheidungskriterium bei der Wahl der Analytikerin oder des Analytikers. Das leuchtet beim Betrachten der Fotos unmittelbar ein. Die Bandbreite der Interieurs ist groß, und es gibt nicht wenige Räume, die man realiter fluchtartig wieder verlassen wollte: Angesichts des Charmes eines Wohnzimmermixes aus den 50ern und 60ern, der Serviette auf dem Kopfkissen, den beigen Gardinen und der gummibaumartigen Grünpflanze möchte sich das Unbewusste nur in noch tiefer gelegene Schichten verkriechen, wenn das denn möglich wäre. Oder die Wand aus dunklem Teakholz, die einen zu erschlagen droht. Bei Horst-Eberhard Richter geht es sehr sachlich zu, bei anderen erinnern orientalische Wandbehänge an Vater Freud, dessen „Ur-Setting“ auch zu sehen ist. Von Magie mögen nur wenige sprechen, wohl aber von einer besonderen Spannung, in der ein anderes Sprechen als das alltägliche möglich wird.
Dieser Qualität soll auch im Literaturzentrum nachgegangen werden. Denn, so die Schriftstellerin und Moderatorin des Abends Katharina Höcker: „Wenn man den Raum der Psychoanalyse als Sprachraum versteht, werden viele Parallelen zwischen Analysesituation und Schreibakt sichtbar.“ Wie das Arbeitszimmer der SchriftstellerInnen sei ersterer ein intimer Raum, und in beiden gehe es um das Finden einer Sprache des Unbewussten. Rilke fürchtete einst, eine Analyse werde ihm nicht nur seine dunklen Dämonen, sondern zugleich die kreativen Eingebungen austreiben. Diese Abwehr, die seither viele KünstlerInnen hegen, teilt Höcker nicht. Sie setzt stattdessen auf die fruchtbaren Potenziale möglicher Verbindungen, die noch längst nicht ausgeschöpft seien. Carola Ebeling
Claudia Guderian: „Magie der Couch“. Kohlhammer, Stuttgart 2004. 188 S., 39,80 Euro. Lesung: Mo, 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38