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Wirtschaftspolitik der KanzlerinMerkel rechtfertigt sich vor Ökonomen

Am Freiburger Walter-Eucken-Institut erklärte die Kanzlerin ihre Regierungskrisen. Ausgerechnet beim Thema TTIP gab es kaum Beifall.

Dunkle Merkel, heller Eucken? Das sah die Kanzlerin in Freiburg anders. Foto: dpa

Freiburg taz | Einmal wird die Kanzlerin dann doch ein bisschen streng. Als Angela Merkel erklärt, warum das umstrittene TTIP-Abkommen ihrer Meinung nach für eine gerechtere Handelspolitik sorgen kann, fällt der Beifall der versammelten wirtschaftswissenschaftlichen Elite ziemlich zögerlich aus. „Wenn es für diese Aussage beim Walter-Eucken-Institut keinen Applaus mehr gibt“, entfährt es Merkel spontan, „weiß ich auch nicht“.

Es ist der Festakt zum 125-jährigen Geburtstag des großen liberalen Ökonomen Walter Eucken, einem der Väter der sozialen Marktwirtschaft. Dessen Lehren werden bis heute vom gleichnamigen Institut in Freiburg gepflegt, sein Leiter Lars Feld berät als einer der fünf Wirtschaftsweisen die Kanzlerin ganz direkt.

Eucken ist heute in der deutschen Ökonomie irgendwo zwischen den umstrittenen Antipoden Keynes und Friedman zu Everybodys Darling avanciert. FDP-Chef Christian Lindner bedient sich bei ihm genauso wie Linken-Chefin Sahra Wagenknecht.

So hat es auch die Kanzlerin bisher gehalten und trotzdem einst mit der FDP für Kopfpauschalen gestritten, mit Milliarden Steuergeldern und Peer Steinbrück Banken gerettet und mit Andrea Nahles zuletzt den Mindestlohn durchgesetzt. Alles Maßnahmen, die nicht gerade der reinen Lehre der sozial-liberalen Ordnungspolitik entsprechen. Bei wechselnden Mehrheiten geraten Theorie und Politik eben in ein Spannungsverhältnis, rechtfertigt Merkel diese Kursschwankungen.

Für ihre Flüchtlingspolitik erhält Angela Merkel Beifall

Trotzdem gerät der Auftritt zum Heimspiel. Während sich die Republik seit Tagen über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht erregt und in Leipzig der rechte Mob marodiert, haben sich im milden Freiburger Klima nur ein paar Bauern und Autonome vor dem Konzerthaus zum Protest versammelt. Die einen wegen der Milchpreise, die andern zur Unterstützung der kurdischen Peschmerga im Kampf gegen den IS.

Drinnen wird Merkel mit stehenden Ovationen begrüßt. Beifall gibt es auch, als ihr der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon im Namen der Freiburger Bürger für ihre „humane Flüchtlingspolitik“ dankt – im vergangenen Jahr hatten Tausende gegen Pegida demonstriert. Die Kanzlerin nutzt die freundliche Stimmung, um den roten Faden ihrer Politik in den drei großen Krisen ihrer Amtszeit dann doch wieder auf die Theorie des liberalen Freiburger Denkers zurückzuführen.

Eucken habe stets vertreten: Wer Chancen in einer freien Gesellschaft nutzen wolle, müsse auch für die Risiken haften. Dass diese Regel bei der Bankenkrise erfüllt worden wäre, will selbst die Kanzlerin nicht behaupten. Aber immerhin habe die Politik die Konsequenzen gezogen, und heute gebe es nur noch wenige Banken, die zu groß wären, dass man sie nicht für ihre Fehler haftbar machen könnte.

Deutsche Regelbesessenheit

In der Eurokrise sei den Deutschen der gleiche Grundsatz dann oft als „Regelbesessenheit“ ausgelegt worden, habe aber in Portugal wie Spanien Erfolge gezeigt. Mit dem Haftungsgebot des liberalen Denkers rechtfertigt sie auch ihre Flüchtlingspolitik: Der Bezugsrahmen der Ordnungspolitik sei längst ein globaler und Eucken habe immer auf die sozialen Auswirkungen von Wirtschaftspolitik geachtet. Die globalisierte Welt sei den meisten Unternehmen und Arbeitnehmern bisher vor allem durch goldene Exportraten und unbegrenzte Absatzmärkte bekannt. Zur Globalisierung gehöre aber mehr.

Es sei „zutiefst“ ihre Überzeugung, sagte die Kanzlerin, dass Politik, die Lebensgrundlagen weltweit verbessern müsse, damit die Menschen keinen Grund mehr zur Massenflucht haben. „Eine Jahrhundertaufgabe, um die wir uns aber nicht herumdrücken können.“

Nach 40 Minuten ist ein entschlossener Auftritt jener Kanzlerin vorbei, die sonst oft zugibt, „auf Sicht zu fahren“. Fast möchte man Bürgermeister Salomon glauben, der schon bei der Begrüßung gesagt hat: „Bei der Kanzlerin kann man sicher sein, dass sie weiß, was sie tut.“

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6 Kommentare

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  • 2G
    23138 (Profil gelöscht)

    Am Gesicht von Fr.Merkel konnte in den vergangenen Monaten so einiges abgelesen werden. Wenn ich die Situation nüchtern betrachte, kann ich mir zwei Möglichkeiten vorstellen: entweder war sich Fr. Merkel mit dem "Willkommen" so sicher, dass sie quasi zur Übermutter sich emporschwingt, und im Hinblick auf die Wahl 2017 diese damit auch schon als eine sichere Sache sah, um noch mehr Macht zu erlangen; oder sie ist tatsächlich nur mehr ein praktisch "willenloses" Instrument externer Kräfte, die womöglich ganz gezielt die Flüchtlingsbewegung zur aktuellen Dimension brachten.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Schon am Ende des ersten Absatzes (TTIP) beschreibt Herr Stieber, warum Frau Merkel gescheitert ist. Sie hat so viele Dinge nicht oder zu spät wahrgenommen, so häufig gepatzt, daß sie nun sehr bald ihren Job aufgeben muss. Sie hat ihre zeitweilige Macht in Europa mißbraucht oder vergeudet, Griechenland, Ukraine, USA, Rußland 'zutiefst' versiebt und sich zu allem Überfluß vor Kurzem in den aussichtslosen Krieg gegen den IS eingeklinkt.

    Sie wird nur mit 2 Aktionen positiv in den Geschichtsbüchern stehen: Die Energiewende (die sie nicht erfunden hat, aber die uns die Natur sowieso aufzwingen wird) und das Öffnen der Augen für gewaltige Flüchtlingsströme (die hauptsächlich Folge westlicher Lebensweise und westlicher Kriegslust sind). Nichts sonst wird bleiben von ihr.

  • tztztztztz...........

    dann hat sie auch wohl ihren Standartsatz gesagt : " wir haben viel erreicht, aber es ist noch viel zu tun." Na, das war ja wohl eine Meldung wert. Sonst noch was ?

    Hans-Ulrich Grefe

  • Wieder eine Regierungserklärung, die nichtsagender, unverbindlicher und populistischer nicht sein kann. Wer fällt denn noch auf die Seifensprüche dieser Frau herein?

     

    "Es sei „zutiefst“ ihre Überzeugung, sagte die Kanzlerin, dass Politik, die Lebensgrundlagen weltweit verbessern müsse, damit die Menschen keinen Grund mehr zur Massenflucht haben. „Eine Jahrhundertaufgabe, um die wir uns aber nicht herumdrücken können.“

     

    Schwammiger geht nicht mehr! Kein Plan, kein Wille, keine Überzeugung - nur Gesülze. Wozu brauchen wir eine Regierung und eine Kanzlerin, wenn keine Durchsetzung von Parolen ersichtlich ist?

     

    Sprüche kann ich persönlich viel besser als Merkel klopfen, nur werde ich dafür nicht bezahlt. Wie werden wir dieses unfähige Gesocks in unseren Führungsetagen endlich los und können es durch kompetente Menschen ersetzen?

  • Ja, ein Heimspiel wars... Aber:

    Die deutsche Muttie enttarnt sich als sehr Applausorientiert!

    ..wenn Applaus für ihre Haltung zu TTIP ausbleibt, tendiert sie zum Einknicken.. das könnte TTIP stoppen !!!

    Und dann noch: "..bei wechselnden Mehrheiten (durch Applaus ..?) geraten Theorie und Politik eben in ein Spannungsverhältnis.." ( so wird eben im Namen applaudierender neoliberaler Mehrheiten das Wirtschaftswissenschaftliche Wahrheitsgebot verschrottet..)

    Trotzdem: Frau Merkels quasi sozialdemokratisches Statement des:

    " Wir können das" bei Flüchtlingen in Millionenzahl, ist m.E. ein Respekt zum humanistischen Charakter der FDGO...

  • Pssssst: Salomon ist gar kein Grüner!