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Wirtschaftspolitik der EUEklat um deutsche Exporte

Konservative und grüne Europa-Parlamentarier werfen der EU-Kommission Rechtsbruch vor. Defizitländer will sie härter bestrafen als Überschussländer wie Deutschland.

Deutschland, Exportweltmeister der Herzen: Containerverladung am Hamburger Hafen. Bild: dapd

BRÜSSEL taz | Die deutschen Exportüberschüsse sorgen für Streit in der Europäischen Union. Grüne und konservative Europaabgeordnete wollen einen Beschluss der EU-Finanzminister zu Fall bringen, der Länder mit Leistungsbilanzdefiziten wie Spanien mit Sanktionen bedroht, Überschussländer wie Deutschland jedoch verschont.

Der Ministerrat war am Dienstag einer Vorlage der EU-Kommission gefolgt, die Defizite schon ab 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ahnden will, Überschüsse jedoch erst ab 6. Damit müsste Deutschland keine Strafen mehr fürchten; der Überschuss lag 2010 knapp unter der zulässigen Grenze bei 5,7 Prozent.

Währungskommissar Olli Rehn mache sich des "Rechtsbruchs" schuldig, sagte der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold. Die Bewertung der Leistungsbilanz sei Teil des kürzlich beschlossenen "Sixpacks" zur Wirtschaftspolitik, so Giegold. Rehn habe sich jedoch über den darin enthaltenen Beschluss hinweggesetzt, auch Überschussländer mit Sanktionen zu bedrohen.

Teil des "Sixpacks" ist eine Verordnung, die eine regelmäßige Überwachung von Indikatoren vorsieht, um wirtschaftliche Ungleichgewichte in der EU zu vermeiden. Die Liste der Indikatoren, das "Scoreboard", hatte von Anfang an für Streit gesorgt. Denn hinter den Kulissen hatte die Bundesregierung versucht zu verhindern, dass Exportüberschüsse bestraft werden können.

Mit Erfolg: Unter massivem Druck sind sowohl EU-Kommission als auch der Ministerrat auf die deutsche Linie eingeschwenkt. Giegold forderte Nachbesserungen.

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2 Kommentare

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  • GB
    Gernhard Beier

    "Gut wirtschaften" heißt eine ausgeglichene Bilanz haben. Volkswirtschaft ist was anderes als Betriebswirtschaft.

    Kurze Begründung: Bei einem Exportüberschuss wird zu wenig im Land investiert, die Zukunftsfähigkeit bleibt auf der Strecke. Kein Unternehmen steckt sich seine Gewinne ins Kopfkissen. Die beim Export erzielten Überschüsse werden nicht in Deutschland investiert sondern im Ausland.

  • CB
    Cephalin Blum

    Also, wenn ich das Geschreibsel richtig verstehe: in der EU wird man nicht nur bestraft, wenn man schlecht wirtschaftet, sondern auch, wenn man gut wirtschaftet. Weil der Gutwirtschaftende gegenüber dem Schlechtwirtschaftenden das wirtschaftliche Gleichgewicht in der EU verletzt. Neben vielem Bescheuerten, das in der EU gang und gäbe ist, ist das das Bescheuertste. Diese Leute, die das zur Geltung brachten, sind krank. Zusätzlich auch noch dümmer als dumm, denn der Gutwirtschaftende ist doch die BRD, jenes Land, an dessen Tropf mittlerweile der ganze Laden hängt. Nichts müsste der EU mehr am Herzen liegen als eine BRD, die auf Teufel komm raus gut wirtschaftet. Es gibt kein besseres Beispiel für das Sprichwort vom Ast, auf dem man sitzt und den man im Begriff ist, abzusägen.