piwik no script img

Wirtschaftskrise in GriechenlandSteuern eintreiben ohne System

Reiche Griechen haben ihren Steuerwohnsitz vorsorglich im Ausland. Wer beim Steuerbetrug erwischt wird, schickt einen Doppelgänger zum Haftantritt.

Über Athen braut sich ein Unwetter zusammen. Am Montag reist die Troika an. Bild: dpa

ATHEN taz | Kostas sitzt entspannt an der Bartheke und genießt seinen Cocktail. An Werktagen ist der Laden im Athener Nobelvorort Erythraia mäßig besucht, kein Wunder bei Cocktailpreisen ab 12 Euro. Doch Kostas, der in Wirklichkeit anders heißt, kann sich das leisten.

Arbeit und Vergnügen verbindet der knapp 30-Jährige elegant an der Bartheke, denn sein Job besteht aus Warten, und dieser Beschäftigung kann er ja überall nachgehen. Kostas hat einen Beruf, der offiziell nicht existiert: "Avtoforákias" wird er im Athener Nachtjargon genannt; Kostas ist zuständig für das "Avtóforon", für den unverzüglichen Haftantritt eines Täters, der auf frischer Tat ertappt wird.

Ein "Avtóforon" ordnen die Behörden nur bei Fluchtgefahr an: Etwa wenn man einen Autounfall verursacht oder hohe Steuerschulden angehäuft hat und kurioserweise auch dann, wenn eine Kneipe bis in die frühen Morgenstunden lärmt und die Polizei kommt. Dann fragen die Beamten nach dem "Ypéfthinos", dem für den Betrieb "Verantwortlichen", der laut Gesetz mit auf die Wache kommen muss.

Damit der Barbesitzer nicht im Knast landet, gibt sich dann Kostas als "Verantwortlicher" aus und wird eingesperrt, vertraut aber darauf, dass sein Chef Beziehungen hat oder Gesetzeslücken ausfindig macht, um ihn zügig aus dem Gefängnis zu holen. Dafür bekommt Kostas 1.500 Euro monatlich - steuerfrei auf die Hand.

Höhere Pauschalsteuern

Allein schon dieses Beispiel zeigt, woran die griechische Steuerfahndung krankt: Unüberschaubare, widersprüchliche Vorschriften und ungeahnte Gesetzeslücken erschweren die Arbeit der Behörden. Angeblich entgehen dem griechischen Staat mehr als 10 Milliarden Euro jährlich durch Steuerhinterziehung.

Seit Ausbruch der Schuldenkrise beteuert die Regierung, sie wolle den Steuerbetrug bekämpfen. Darauf drängt auch die Troika der Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), die ab dem morgigen Dienstag die griechische Wirtschaft erneut unter die Lupe nimmt.

Vom Kampf gegen den Steuerbetrug haben die Steuerzahler bis heute nicht viel bemerkt. Das Fehlen von Steuereinnahmen gleicht die Regierung dadurch aus, dass sie indirekte Steuern erhöht und Pauschalsteuern für Hausbesitzer, Autofahrer oder Freiberufler aus dem Hut zaubert. Darüber kann sich Thanassis Kalfas richtig ärgern.

Der 53-Jährige verdient sich ein bescheidenes Einkommen als freier Journalist und Übersetzer. Schon vor der Krise waren die Honorare spärlich, mittlerweile werden sie sogar mit Verzögerung beglichen. Und jetzt auch noch das: Als Selbstständiger muss Thanassis immer höhere Pauschalsteuern zahlen, obwohl sein Verdienst sinkt.

250.000 Autos abgemeldet

Es begann 2011 mit einer Kopfsteuer von 300 Euro, zusätzlich zu der Jahresversteuerung. In diesem Jahr wird die Kopfsteuer für Freiberufler auf 500 Euro erhöht, 2013 werden voraussichtlich 1.000 Euro fällig. Das Kalkül: Da der Staat dringend Geld braucht, die Steuerbehörden aber noch nicht in der Lage sind, die Einkommensangaben jedes Einzelnen genau zu kontrollieren, werden der Einfachheit halber Pauschalsteuern erhoben, die alle gleich belasten, unabhängig davon, wie viel sie verdienen.

Doch solche Maßnahmen können nach hinten losgehen und dem Staat Steuereinnahmen entziehen. Obwohl Mehrwert- und Verbrauchsteuern steigen, sinken ausgerechnet die Einnahmen aus diesen Steuern rezessionsbedingt. Auch die Erhöhung der Kfz-Steuer dürfte nicht mehr, sondern weniger Einnahmen bringen: 2011 meldeten 250.000 Griechen ihren Wagen ab, wodurch dem Staat allein in diesem Jahr 400 Millionen Euro entgehen. Der Fiskus könnte die Steuereinnahmen sprudeln lassen, wenn die wirklich reichen Griechen stärker zur Kasse gebeten würden.

Doch das ist leichter gesagt als getan, denn es gibt kaum reiche Griechen mit einem griechischen Steuerwohnsitz. Die wenigen Schiffsmagnaten, die in Hellas wohnen, wissen schon, wie man sich unangenehme Forderungen vom Leib hält.

Als Finanzminister Evangelos Venizelos kürzlich mitteilte, er wolle "mit den Reedern in Dialog treten, damit sie zum Überlebenskampf des Landes beitragen", erklärte die Reederlobby prompt, "Venizelos wolle den Beitrag der Schifffahrt zur griechischen Wirtschaft kleinreden". Unüberhörbar war auch eine versteckte Drohung der Lobbyisten: "Man soll nicht vergessen, dass die griechische Schifffahrt 17 Milliarden Euro jährlich in die öffentlichen Kassen spült."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • A
    @Avtoforákias

    Kann nicht Griechenland Kriegsverbrecher verfolgen? Z.b. Merkel für Kundus nach Koridallos packen? Mit sowas müßte man doch sogar Wahlen gewinnen können! Mithilfe durch den Korruptionsweltmeister Deutschland bei schmierenfreundliche Siemens (100 Millionen) und bei U-Booten (250 Millionen) zählt ja auch noch, denn deutsche Justiz schützt diese Verbrecher vor Auslieferung, nur weil sie einen deutschen Pass haben. Außerdem beläuft sich der Schaden durch die geschmierten und überteuerten Olympiabauten auf mindestens 2 Milliarden: Hoch-Tief, Bilfinger & Berger, Strabag und wie sie alle heissen.

  • C
    @cynic

    Im Friedensvertrag von 1956 steht geschrieben, daß die Reparationen - die Griechenland zuvor noch durch einen Schuldenschnitt von 50% großzügig verringert hatte - nach der Wiedervereinigung fällig werden. Krautmeister Kohl hat deshalb einfach die Wiedervereiterung umbenannt und Teutonenland 1990 auch noch dreist als zahlungsunfähig erklärt, während ein "homosexueller" Außenminister die Verbrechen der Nazis dreist als staatenimmun erklärt und damit nachträglich legalisiert. Während das deutsche Drecksreichs seine Plünderungen legalisieren konnte (Arisierung!) und vom Marshall- anstatt vom Morgentauplan profitieren konnte (eigentlich gehörte Deutschland komplett aufgelöst und nicht nur getrennt), erlebte Griechenland den kalten Krieg bereits 1944, nachdem es dort schon 1943 europaweit die ersten befreiten Städte gegeben hatte. Wie andere Länder auch litt das Land an totaler kriegsbedingter Inflation, während die BRD als einziger Kriegsprofiteur seinen Diebstahl stolz Wirtschaftswunder nennen durfte. Dort ist genauso ein Zusammenhang wie einer in dem immer wieder auftauchenden genialen Einwurf, "Griechenland ist seit 1830 ständig pleite" zu finden ist: Wenn ein Land 400 Jahre besetzt war, wie soll es dann nach der Befreiung nicht pleite sein? Wie würde das indianische Amerika nach einem Rückzug der USA (nach Europa oder zum Mars) aussehen?

  • W
    Weinberg

    Den deutschen Politikern (z.B. Hänschen Eichel) war bestens bekannt, dass in Griechenland seltsame Gepflogenheiten herrschen. Trotzdem wurde Griechenland in den Euro-Klub aufgenommen.

     

    Zu dieser Politik passt auch die Aufnahme von ost- und südosteuropäischen Mafia-Staaten in die EU. Da wird noch Freude aufkommen (nur bei wem?) …

  • A
    Avtoforákias

    Als ehemaliger Minister kann man sogar einen Cop umfahren und fährt nichte ein:

    http://www.keeptalkinggreece.com/2012/01/08/former-greek-minister-hits-policeman-with-car-and-goes-free/

  • JC
    Johnny Cynic

    Tja, "Verteidigungsexperte",es war schon ein cleverer Schachzug vom Dicken, keine Friedensverträge zu unterzeichen (hat übrigens nichts mit der Wiedervereinigung zu tun) und dafür endgültig auf die Gebiete unter polnischer und russischer (damals noch sowjetischer) Verwaltung zu verzichten.

    Und nun? glaubst Du wirklich, eine militärische Option wäre für die griechische Armee überhaupt durchfürbar?

    Da selbst die Nato das griechische Militär für eine schlecht ausgerüstete freiwillige Feuerwehr hält (O-Ton Kommandeur AMF-L) ist Deine Forderung, ungeachtet der Idiotie in der Forderung militärischer Handlungen, wohl nur Dummschwätzerei.

    Griechenland ist nun mal wieder Pleite (AFAIK das 5. Mal seit 1830) und wird wieder einmal zum Armenhaus Europas.

    Seltsam, dass alle Bankrotteure immer von "alten Außenständen" faseln, die, wenn sie sie nur einziehen könnten alle Probleme gelöst hätten.

    Griechenland geht an sich selbst zugrunde.

  • MD
    Ma Dalton

    Liebes griechenland,

    tu doch einfach kiffen legal machen (sonne und anbaufläche gäb's dort ja genug) - der tourismus würde boomen wie nie und ihr würdet euch an touristen sowie steuern dumm und dämlich verdienen.

  • X
    XXX

    Relativ einfache Lösungen:

    1. Schuldenrückzahlungen sofort stoppen. Das trifft wahrscheinlich ziemlich genau die Richtigen, obwohl sie im Ausland sitzen. Austritt aus Euro ergibt sich daraus.

    2. Den Geheimdienst auf Schweizer Banken ansetzen und Prämien für entsprechende Daten-CDs zahlen.

    3. Strenge Strafen auf Steuerbetrug mit langen Verjährungsfristen, auch rückwirkend.

    3. den Besitz der Reichen in Griechenland besteuern

    4. Wenn ein Doppelgänger für Haftstrafen tatsächlich vorgekommen sein sollte - strenge Strafen (z.B. Verdreifachung der Haftstrafe) für solchen Betrug.

     

    Schlecht ist es natürlich, wenn die Übeltäter im Parlament das Sagen haben. Aber da muss man sie eben abwählen oder zur Not eine Revolution machen.

  • V
    Verteidigungeexperte

    Lösung ist ganz einfach: Man schickt einfach die Panzer nach Deutschland und treibt die Schulden ein, die Helmut Kohl umgangen hat, indem er die Wiedervereinigung Anschluß nannte. Dadurch und weil die griechischen Politiker keine Eier haben, entgehen Griechenland mit Zinsen 1,5 Billionen an Reparationen und Kriegs-Zwangsanleihen. Unterwegs kann man auch noch in Zürich das griechische Geld aus den Banken holen.

  • I
    Ingo

    Das wäre in der BRD auch ein Beruf, wenn es nicht DNA

    und Fingerabdrücke zum Vergleich gäbe. Bzw. Irisabbildungen.

    --0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0--0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0

     

    Lasst Griechenland auf jeden Fall pleite gehen.

    Solidarisch sein heißt Carepackete schicken!

    Geld ist unsolidarisch!