Wirtschaftskollaps in Osteuropa: Österreich muss zittern
Österreichs Banken haben jahrelang vom Kreditgeschäft mit Osteuropa profitiert. Jetzt, da Rumänien und Co vor dem Wirtschaftskollaps stehen, bangen sie um Rückzahlung.
WIEN taz Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington geben sich die Geheimmissionen inzwischen die Klinke in die Hand. Zuletzt war es eine rumänische Delegation, die um einen Stützungskredit bitten wollte. Wie zuvor schon Lettland und Ungarn geht es auch Rumänien darum, den wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Einen Verbündeten findet Bukarest in Österreich. Schon Ende Januar hatte sich Finanzminister Josef Pröll in Brüssel für ein Osteuropa-Hilfspaket starkgemacht, war aber abgeblitzt. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier konnte in dem Anliegen nur österreichische Partikularinteressen entdecken.
Tatsächlich ist kein anderes Land im Osten stärker engagiert als Österreich. Seine Banken haben in Ost- und Südosteuropa dreistellige Milliardensummen als Kredite vergeben und damit prächtig verdient. Vor allem Raiffeisen International und die Erste Bank verdanken ihr Wachstum der Expansion im Osten. Ein Zusammenbruch des Bankensektors in den Reformländern könnte daher auch die österreichische Wirtschaft in den Abgrund reißen. Derzeit stehen Kredite in einer Höhe von 230 Milliarden Euro aus. Das entspricht zwei Dritteln des österreichischen Bruttoinlandsprodukts. 19,5 Prozent aller Kredite von EU-Banken in Osteuropa stammen von österreichischen Instituten. Das zehnmal so große Deutschland liegt mit einem Anteil von 15,8 Prozent an zweiter Stelle.
In der Ukraine haben österreichische Banken Kredite von rund 10 Milliarden Euro vergeben, in Rumänien sind es 33,9 Milliarden. Im vergleichsweise stabilen Kroatien warten Darlehen über 36 Milliarden Euro auf Rückzahlung. Da die meisten Kredite in US-Dollar oder Euro vergeben wurden, die Landeswährungen aber gegenüber der Leit- und der europäischen Gemeinschaftswährung abgestürzt sind, stehen die Schuldner nun vor der Zahlungsunfähigkeit.
Deswegen hatte Pröll am Montag in Brüssel einen neuen Vorstoß unternommen, doch noch Hilfe zu organisieren: "Wir werden schneller vor Realitäten stehen, als manche glauben. Da wollen wir frühzeitig wachrütteln." Es gehe darum, den Akteuren am Finanzmarkt zu signalisieren, "dass Europa kein mittel- und osteuropäisches Land in der Krise allein lässt". Allein Rumänien, so sagen Konjunkturforscher voraus, muss in diesem Jahr Außenhandelsrückgänge von 16 Prozent hinnehmen. Auch die Immobilienpreise brechen ein. Der Gesamtbedarf an Stützungsgeldern für Osteuropas Banken wird von Wirtschaftsexperten auf gigantische 275 bis 300 Milliarden Euro geschätzt.
Die 16 Milliarden Euro, die noch im Topf von EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia bereit liegen, wären angesichts dieser Bedürfnisse nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die EU-Finanzminister wollen daher den IWF einspannen und treten in einem Vorbereitungspapier für den Weltfinanzgipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) am 2. April in London dafür ein, die IWF-Ressourcen von derzeit 250 Milliarden auf 500 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln.
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