Wirtschaftshilfen in Corona-Krise: Hoffen auf die grüne Bazooka
Weltweit sollen Staatshilfen in Billionenhöhe die Wirtschaft vor dem Corona-Schock schützen. Umweltschützer wollen die an Öko-Kriterien binden.
Aber die Kritik war groß: Der deutschen Industrie habe das „Strohfeuer“ kaum genutzt, hieß es. Und das Umweltministerium ließ sich zwar in einem Gutachten „positive Wirkungen“ der Prämie bescheinigen, bestätigte aber inhaltlich eigentlich die wütende Kritik der Umweltverbände mit einer ganz eigenen Logik: „Die Umweltprämie wurde nicht in erster Linie zur Umweltentlastung konzipiert. Deshalb kann ihr auch nicht eine zu geringe Umwelteffizienz vorgeworfen werden.“
In der globalen Wirtschaftskrise von 2008/09 wurde weltweit die Wirtschaft mit Milliardenhilfen gestützt. Fortschritte für die Umwelt- oder Klimapolitik brachten die weltweiten Hilfspakete aber kaum. Im Gegenteil legten die weltweiten CO2-Emissionen und der Verlust von Arten nach der Delle wieder kräftig zu.
Das soll nach Corona nicht noch einmal passieren. „Wir haben eine Verantwortung, dass sich die Wirtschaft besser als damals erholt“, sagt UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Den „Rahmen fürs Handeln“ sollten die UN-Ziele für Nachhaltigkeit und Klimaschutz setzen
Historische Chance
Auch der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, mahnte, man habe „eine historische Chance“ der Wirtschaft helfen, „dreckige Investments zu reduzieren und die Energiewende zu beschleunigen“.
Als Anfang März die EU-Kommissionspräsidentin die Finanzierung ihres „Europäischen Green Deals“ mit 1 Billion Euro vorstellte, waren dabei für sieben Jahre nur mickrige 7,5 Milliarden Euro frisches Geld vorgesehen. Plötzlich ist Kapital im Überfluss da. Und die Frage lautet: Finanziert das Steuergeld die alten Strukturen oder den Umbau zur Klimaneutralität?
Diese Debatte beginnt nun auch in Deutschland. Schon bevor der Bundestag am Mittwoch den Nachtragshaushalt für das 600-Milliarden-Euro Hilfspaket bewilligt, das SPD-Finanzminister Olaf Scholz die „Bazooka“ nennt, fordern Umwelt- und Klimaschützer Öko-Kriterien für die geplanten massiven Staatsausgaben.
Der BUND will ein „weitsichtiges Konjunkturprogramm, das akutes Krisenmanagement mit Investitionen in die sozial-ökologische Transformation verbindet“, Greenpeace fordert einen „grünen Marshallplan“.
Alte Technologien neu stützen?
Die Ökonomin Claudia Kemfert warnt vor neuem Geld für alte Technologien und die grüne Abgeordnete Lisa Badum fordert, der „Green Deal muss die Entscheidungsgrundlage für alle Konjunkturhilfen sein“.
Für den Thinktank Agora Energiewende wäre ein Investitionsprogramm, das „blind alte Technologien fördert“, sogar schädlich, weil es „höhere Emissionen auf Dauer zementieren würde.“
Eine Online-Petition auf change.org will die „Coronakrise zur Klimachance machen: Rettungsgelder richtig nutzen“; Eine Sprecherin von „Extinction Rebellion“ fordert, „keine bedingungslosen Finanzspritzen für Verschmutzer“, alle öffentlichen Gelder müssten an Standards zur Erreichung des Klimaziels von 1,5 Grad gekoppelt werden.
Und der Chef des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner, sagt: „Konjunkturpakete müssen grün aufgelegt werdenund neben Beschäftigung und Wirtschaft auch den Green Deal und den Klimaschutz voranbringen.“ Erreichen könne man das zum Beispiel mit Investitionen in die Infrastruktur für E-Autos, Sanierung von Gebäuden oder in mehr Energieeffizienz für die Industrie.
Grünes Gedöns
Die Forderungen nach einer grünen Bazooka sollen auch der Gegenbewegung den Schwung nehmen. Denn in der Krise mehren sich Stimmen, das Öko-Gedöns jetzt erst einmal zu lassen: Der parlamentarische Staatsekretär im CDU-Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß twitterte zu den Forderungen, die Fragen von Solardeckel und Abstandregeln für Windkraft endlich zu lösen: „Wir haben gerade noch ein paar andere drängendere Themen zu bewältigen, die unser ganzes Land betreffen“.
Sein Fraktionskollege Klaus-Peter Willsch will die Luftverkehrssteuer für ein Jahr aussetzen, um die Airlines zu entlasten. Und durch die Diskussion schwirren drastische Vorschläge: Den CO2-Preis oder die Düngeverordnung für Bauern aussetzen, die Autoindustrie bei den EU-CO2-Grenzwerten zu entlasten, den EU-Emissionshandel auszusetzen oder gleich „den Green Deal zu vergessen und sich auf Corona zu konzentrieren“, wie es der tschechiche Premier Andrej Babis formuliert.
Dieses „Falsche zu lassen“ ist dann auch der erste Rat eines Schnellgutachtens, das das „Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) zu dieser Frage für Greenpeace erstellt hat. Außerdem solle das Geld vor allem in den Strukturwandel zur Klimaneutralität fließen: In Busse, Bahnen und Radverkehr, die Dämmung von Gebäude, in mehr Solar- und Windenergie.
Der notleidende Luftverkehr solle sich für Hilfen zu mehr Klimaschutz verpflichten, die Erfahrung des flächendeckenden „Home Office“ könne zu mehr Telearbeit und weniger Berufspendlern führen, Kurzarbeit als Weiterbildung genutzt werden. Die niedrigen Ölpreise könnten helfen, die weltweit 160 Milliarden Dollar an jährlichen Subventionen für Sprit abzubauen, schreiben die Autoren.
Es ist niemals zu früh
Für konkrete Festlegungen sei es noch zu früh, heißt es zu dieser Frage aus der Bundesregierung. Allerdings hat zumindest das SPD-geführte Umweltministerium die im Blick. „Das Haus bereitet sich darauf vor, dass die Konjunkturprogramme möglichst so ausgestattet werden, dass sie Wachstum und Klimaschutz voranbringen“, so ein Sprecher.
Das UBA hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der Fachleute zu Konsum, Sozialwissenschaft und Klimaschutz nach solchen Lösungen suchen.
Denn zu früh ist es für solche Entscheidungen offenbar nicht. Zumindest aus China, das die Corona-Epidemie erst einmal eingedämmt zu haben scheint, mehren sich nach einem Bericht von Bloomberg News die Anzeichen, dass die Regierung massiv in bereits fertige Projekte investieren will, um das Wachstum anzukurbeln – ohne große Rücksichten auf die Umwelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich