Wirtschaft in der Türkei: Ende des Booms

Erstmals seit 2009 steckt die Türkei in einer Rezession. Cem Özdemir fordert, für Geschäfte mit dem Land keine Hermesbürgschaften mehr zu erteilen.

Schiff vor städtischer Kulisse

Is' nich viel los vor Ismir Foto: imago/Westend 61

ISTANBUL taz | Nach dem Rauswurf von zwei Journalisten aus der Türkei hat der Grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir die Bundesregierung aufgefordert, ökonomischen Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Der frühere Bundesaußenminister Siegmar Gabriel (SPD) habe nach der Verhaftung des deutschen Journalisten Deniz Yücel angeordnet, Hermesbürgschaften für die Türkei zu deckeln. Dies habe mit dazu beigetragen, dass Yücel nach einem Jahr Untersuchungshaft freigelassen wurde.

Hermesbürgschaften sind Sicherheiten, die der Staat deutschen Unternehmen anbietet, die im Ausland investieren und damit ihre Risiken reduzieren können. Ohne Hermesbürgschaften würden sich wesentlich weniger deutsche Unternehmen in der Türkei engagieren. Nach Aussagen der deutsch-türkischen Industrie- und Handelskammer gehen die Investitionen deutscher Unternehmen in der Türkei allerdings schon jetzt zurück. Es gibt kaum noch neue deutsche Firmen, die in dem Land investieren, erklärte kürzlich ein Sprecher der Kammer. Selbst Firmen die schon lange im Land seien, hielten zusätzliche Investitionen zurück.

Der Grund für diese Zurückhaltung sei die mangelnde Rechtssicherheit, nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen. Dazu komme die derzeitige schlechte wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei. Im letzten Quartal 2018 rutschte die Wirtschaft mit einem Wachstumsminus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr in die Rezession. Es war das zweite Quartal in Folge, dass die Wirtschaft schrumpfte. Damit ist die Türkei nun erstmals seit 2009 in eine Rezession gerutscht. Der Wirtschaftsboom mit hohen Wachstumsraten ist schon seit Mitte letzten Jahres vorbei. Seit dem Frühjahr 2018 verlor die türkische Währung gegenüber Dollar und Euro rund ein Drittel ihres Wertes. Die Inflation stieg auf zwischenzeitlich 25 Prozent und soll nach offiziellen Angaben jetzt knapp 20 Prozent betragen.

Ärger droht der Türkei auch aus Brüssel

Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Ende März wichtige Kommunalwahlen zu bestreiten hat, ist unter Druck, weil insbesondere die Lebensmittelpreise teilweise bis zu 60 Prozent und mehr gestiegen sind. Die Regierung versucht dies zu kompensieren, indem sie Grundnahrungsmittel von den Kommunen direkt zu Vorzugspreisen an die Endverbraucher abgibt. Dass hat zwar einige potentielle WählerInnen glücklich gemacht, konnte aber die Preissteigerungen nicht wirklich begrenzen.

In dieser Situation wären Wirtschaftssanktionen ein starkes Druckmittel. Zusätzlicher Ärger droht der Türkei aus Brüssel. Seit längerem hofft die Regierung auf die Aufnahme von Verhandlungen, um die Zollunion auszuweiten. Als Reaktion auf die Verletzung der Pressefreiheit könnte dieses Projekt erst einmal auf Eis gelegt werden. Für kommenden Freitag ist in Brüssel ein hochrangig besetztes EU-Türkei Treffen zu Wirtschaftsfragen angesetzt. Die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie die Behinderung ausländischer Medien in der Türkei dort zur Sprache bringen will.

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