Wirecard-Untersuchungsausschuss: Zu Guttenberg sieht sich getäuscht
Der Ex-Minister gibt zu, für das Skandal-Unternehmen geworben zu haben – aber nicht als Lobbyist. Sein Plädoyer ist geschickt, nur nicht überzeugend.
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Zu Guttenberg gab an, sich auch nach seinem Wechsel in die freie Wirtschaft etwa einmal im Jahr mit der Kanzlerin getroffen zu haben. Es habe persönliche Gespräche in freundschaftlicher Atmosphäre gegeben. Nie wurde ein Protokoll angefertigt, der Austausch sei vertraulich erfolgt.
Diese Treffen stehen nun im Fokus der Ermittlungen des Wirecard-Ausschusses. Denn Merkel wollte Wirecard später offenbar tatsächlich Türen öffnen: Im September 2019, kurz nach dem Treffen mit zu Guttenberg, sprach sie Wirecard gegenüber Vertretern der chinesischen Führung an. Das Problem: Ein halbes Jahr später brach Wirecard zusammen. Firmenchef Markus Braun hatte einen Großteil des Umsatzes und sämtlichen Gewinn offenbar durch Scheingeschäfte erzeugt. Heute fehlen mehr als 3 Milliarden Euro.
Die britische Zeitung Financial Times hatte schon Anfang 2019 Belege für Betrug veröffentlicht. Umso erstaunlicher, dass sich die deutsche Botschaft in Peking, das Kanzleramt und das Finanzministerium noch monatelang für Wirecard starkgemacht haben.
Zu Guttenberg hilft „schweren Herzens“
Hier könnte eine Firma die entscheidende Rolle gespielt haben, die zu Guttenberg 2013 mit gegründet hat: Spitzberg Partners mit Sitz in New York. Zu Guttenberg nutzte seine gute Vernetzung aus politisch aktiven Zeiten im Interesse verschiedener Kunden aus der Wirtschaft. Er war Wirtschaftsminister und Verteidigungsminister unter Merkel, bevor er wegen seiner Doktorarbeit zurücktreten musste. Spitzberg Partners sollte Wirecard unter anderem beim Markteintritt in China helfen. Das Unternehmen hat von Wirecard 790.000 Euro für seine Dienste erhalten.
Als Zeuge agierte zu Guttenberg am Donnerstag sehr geschickt. Während andere Zeugen mauerten, gab er sich auskunftsfreudig und sparte auch heikle Vorgänge nicht aus. Dennoch gab seine Darstellung den Abgeordneten reichlich Grund zu Nachfragen – und zu erhobenen Augenbrauen. So bestand zu Guttenberg darauf, kein Lobbyist zu sein und Wirecard auch keine Lobbydienste angeboten zu haben. Nur schweren Herzens habe er sich bereiterklärt, die Bundesregierung über die Wirecard-Pläne zu „informieren“. Er stellte das als seine staatsbürgerliche Pflicht dar, weil es um ein DAX-Unternehmen und einen wichtigen Auslandsmarkt gegangen sei.
Tatsächlich entspricht die Tätigkeit von Spitzberg Partners, wie zu Guttenberg sie darstellte, ziemlich genau den Vorstellungen, die allgemein von Lobbyismus verbreitet sind. Nach dem Gespräch mit der Kanzlerin schrieben seine Mitarbeiter für den Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Lars-Hendrik Röller, Argumente für den Markteintritt von Wirecard in China auf. Ein Kollege von zu Guttenberg, Ulf Gartzke, hatte dem Finanzministerium zuvor bereits einen Brief geschrieben. Darin hatte er schon Textbausteine geliefert, mit denen die Bundesregierung sich in China für Wirecard einsetzen konnte. „Ob einzelne dieser Formulierungen genutzt wurden, ist mir unbekannt“, sagte zu Guttenberg.
Doch es geht nicht um zu Guttenberg
Der Ex-Politiker bewertet seine Rolle auch im Rückblick als seriös. Ein deutsches Finanzunternehmen schaffe den Markteintritt in eine staatlich geleitete Wirtschaft wie China nicht ohne Unterstützung durch die eigene Regierung. Von kriminellen Praktiken bei Wirecard habe er nichts geahnt – sonst hätte er den Auftrag gar nicht erst angenommen und das Vertrauen der Kanzlerin riskiert. Er habe im Zuge des China-Projekts sogar den Eindruck gewonnen, dass Wirecard es mit der Einhaltung von Regulierungen besonders genau nehme.
Es ist Aufgabe des Ausschusses, Fehler und Versagen von Regierungsstellen und anderen Institutionen zu durchleuchten. Ziel der Ermittlungen ist daher nicht Spitzberg Partners, sondern das Agieren des Kanzleramts und des Finanzministeriums im Zusammenhang mit Wirecard.
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