kati kriegt die krise : Wir!
Wie wir alle wissen, haben wir gerade viel mit uns zu tun. Wir wollen Weltmeister werden, Papst sind wir ja schon. Das eine Wir ist dem anderen verwandt, beides ist die Beschlagnahme der Leistung anderer. Wirsein existiert auch als Pluralis majestatis und ist dann der Diktion nahe, in der einer von sich in der dritten Person spricht. Es macht keinen Unterschied, ob Lothar Matthäus sagt: Ein Lothar Matthäus muss erreichbar sein, oder: Wir, Lothar, lieben unser Handy.
Weder der Pluralis majestatis noch die Beschlagnahme ist zu verwechseln mit der Pluralidentität, die Jürgen Klinsmann eingeführt hat. Er kennt kein Ich, nicht, wenn es um die öffentliche Vermittlung seiner Bundestrainermission geht. Sein Wir ist nicht umarmend, es ist hermetisch. Wo der übliche Trainer qua Amt und Autorität in Einzahl spricht (Ich habe der Mannschaft den freien Tag gestrichen), verschwindet Klinsmann im Wir: Wir haben Vertrauen in diese Spieler, wir haben eine Aufstellung im Kopf. Nur selten entrutscht ihm ein Ich, wird aber sofort korrigiert. Einatmen, ausatmen – Wir. Omm. In mantraartiger Gleichförmigkeit. Wie das wohl geht, dieses Wir-Sein?
Und wer sind diese Wirs? Ist es der Trainerstab, der so scharfkantig arbeitsteilig agiert, dass alle Teile immer logisch eine Lösung ergeben? Oder gibt es Mehrheitsbeschlüsse, die das Klinsmann-Wir nur nach außen trägt?
Oder fühlen alle, dass sie gemeinsam wissen, dass sie vertrauen und glauben können? Aber sind sie nicht auch nur Menschen? Wenn nun doch mal zwei in zwei Richtungen denken? Und überhaupt: Wenn die Aufstellung in einem Kopf des Klinsmann-Wir steckt, welcher ist das? Wir wissen es nicht. Das Klinsmann-Wir verrät es uns nicht. Es lächelt. Wir betreiben Exegese. Womöglich ist alles autosuggestives Verhalten. Das wäre ein Schlamassel. Wir würden nicht Weltmeister.