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■ 25 Jahre „Puhdys“: Die FDJ-Rocker kommen wieder„Wir rocken bis zur Rente!“

Magdeburg (taz) – „Alt wie ein Baum“ sind die Puhdys zwar noch nicht, aber immerhin stehen sie schon seit 25 Jahren auf der Bühne. Über ein Jahr lang wollen sie jetzt wieder kreuz und quer durch die wiedervereinigte Republik touren und es ihren Fans aus alten Tagen noch einmal so richtig besorgen. Immerhin waren es die Puhdys, die den DDR-Rock auch im kapitalistischen Westen hoffähig gemacht haben und dem Arbeiter-und- Bauernstaat mit ihren Touren durch das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet so manche Devisenmark einbrachten. Immerhin füllten sie zu ihren besten Zeiten auch im Westen große Säle. Es gab aber auch andere Zeiten, in denen die Puhdys in der kapitalistischen Provinz über Sport- und Schützenfeste tingeln mußten. Aber was machte man nicht alles für Westmark.

Der Tourstart in Magdeburg war sorgsam gewählt. Nicht nur, daß die Männer um Sänger Dieter „Maschine“ Birr erst einmal in der tiefen Provinz austesten wollten, ob sie überhaupt noch ankommen. Nein, in Magdeburg endete vor einigen Jahren die große Goodbye- Tournee der Puhdys. Die alten Herren des DDR-Rock wollten sich eigentlich zur Ruhe setzen und ihr Versprechen „Wir singen bis zur Rocker-Rente“ lieber doch nicht wahrmachen. Aber irgendwann habe es ihnen doch wieder in den Fingern gejuckt, entschuldigt „Maschine“ den Comeback-Versuch: „Mit unserer Rockmusik ist es wie mit dem Alkoholismus. Auch bei der besten Therapie sind Rückfälle nicht ausgeschlossen.“ Und ein Blick in Birrs Gesicht läßt zumindest den Gedanken zu, daß er mit beidem Erfahrung hat.

Die Fans jedenfalls waren begeistert und griffen für ihre Altstars tief in die Tasche. Schon bei der vormittäglichen Autogrammstunde in Madgeburgs größtem Plattenladen wurde von ihnen erwartet, daß sie vor den Unterschriften von Maschine und Co. als Grundlage erst einmal die neue Maxi-Single „Keine Ahnung“ käuflich erwerben. Die drei neuen Titel der Puhdys wollen schließlich unters Volk gebracht werden und sollen dort Lust auf mehr machen.

Zum großen Fanclub-Treffen am Nachmittag war dann schon wieder ein Schein fällig. 20 Mark mußten die ganz Unentwegten für den lauschigen Kaffeeklatsch mit ihren Stars auf den Tisch legen. Und wer immer noch eine Mark in der Tasche hatte, dem wurde sie bei der anschließenden Versteigerung von Puhdys-Reliquien aus der Tasche gezogen. Ein Paar Drumsticks, signiert, versteht sich, gingen dabei schon für 60 Mark über den Tisch, und Plakate einst legendärer Tourneen wechselten für einen Heiermann den Besitzer. Immerhin: Für ein Erinnerungsfoto posierten Maschine und Co. sogar kostenlos.

Spätestens beim abendlichen Konzert (Eintritt: noch mal schlappe 25 Märker) war die Beutelschneiderei vergessen. Mit Songs wie „Geh zu ihr“ sangen die Puhdys zwar auch ihre Hits aus den alten Zeiten, aber die Fans harrten tapfer aus. Denn wer hätte es gedacht: Die einst legendären FDJ- Rocker konnten nicht nur ihr ebenfalls angegrautes Publikum aus alten Tagen hinter dem Sofa vorlocken, sondern überraschenderweise auch den einen oder anderen Teenie.

Musikalisch haben die Puhdys ihren selbst von eingefleischten Fans als unglücklich empfundenen Ausflug in die weichgespülte und glattgebügelte Popmusik klammheimlich beendet. Tja, war wohl nichts: Die entsprechenden Pop- Titel sind eingemottet und tauchen im Tournee-Programm nicht mehr auf. Ansonsten gab's Songs aus 25 Jahren Puhdys bis zum Abwinken. Die dienstälteste Rockband Gesamtdeutschlands ist wieder zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt. Eberhard Löblich

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