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Winter mit Wettschulden

Es wird nicht mehr kalt in diesem Jahr, haben die Heiligenhafener mit einer traditionellen Wette herausgefunden  ■ Von Eva-Maria Mester

Was MeteorologInnen noch nicht vorhersehen können, ist in Heiligenhafen längst bekannt: In diesem Winter wird es nicht mehr richtig kalt. Jedenfalls nicht so kalt, daß der Fehmarnsund zufriert. Das hat am Dienstag die Lichtmeß-Wette der Heiligenhafener ergeben.

Grundlage dieser Wette ist eine Bauernregel zum Fest Mariä Lichtmeß, das am 2. Februar sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche gefeiert wird. Wenn an diesem Tag mittags die Sonne so lange scheint, wie ein Reiter braucht, um sein Pferd zu satteln, heißt es in der Wette, dann wird der Sund noch zufrieren.

In diesem Jahr hätten sich die ReiterInnen das Aufsatteln ihrer Pferde gleich sparen können. Dichter Nebel lag über dem Strand auf dem Grasswarder vor Heiligenhafen (Kreis Ostholstein). Aber Wette ist Wette, und deshalb gab Karl-Christian Schnoor, der Vormann des städtischen Grog-Kollegiums, Punkt 12 Uhr das Kommando zum „Auftakeln“. „Wir sagen Auftakeln statt Aufsatteln, damit es auch die Seeleute verstehen“, erklärt Schnoor, der die Aktion seit 23 Jahren organisiert.

Wochenlang hatten er und die übrigen Mitglieder des Grog-Kollegiums aufmerksam die Wetterberichte studiert und den Himmel beobachtet. Noch am Wochenende habe es ja so ausgesehen, als ob ein Hochdruckgebiet, die Voraussetzung für blauen Winterhimmel über der Hafenstadt, die Oberhand gewinnen würde, sagt Schnoor. Und noch am Morgen war er optimistisch. „Vielleicht lichtet sich der Nebel noch, der Himmel über Fehmarn soll schon frei sein“, hoffte er so gegen 10 Uhr. Doch der Wettergott hatte kein Einsehen. Die Sonne schien nicht, als die Reiterinnen ihre Pferde sattelten, und so wird der Fehmarnsund in diesem Jahr auch nicht mehr zufrieren.

Ursprünglich hat das Fest Mariä Lichtmeß mit dem Wetter nichts zu tun. Es erinnert an die Darstellung Jesu im Tempel und die rituelle Reinigung Marias nach der Geburt. Im Gottesdienst werden an diesem Tag Kerzen geweiht, zur Erinnerung daran, daß Christus das Licht der Welt ist. Da aber das Fest in die Zeit fällt, in der die Tage langsam wieder länger werden, entstanden im Laufe der Jahrhunderte allerlei Wetterorakel. Die Heiligenhafener Regel stamme noch aus vorreformatorischer Zeit und sei sonst nirgendwo in Schleswig- Holstein bekannt, sagt Schnoor.

Über die Treffsicherheit der Wette gibt er sich keinen Illusionen hin. Das Wetter halte sich nicht immer an die Regel, räumt Schnoor ein. Aber „in den vergangenen 23 Jahren hat an Mariä Lichtmeß nur sechsmal die Sonne geschienen, und der Sund ist dann tatsächlich noch zugefroren“.

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