: Wilde Klugheit
STADT DENKEN Die Architektin Marlene Zlonicky ist tot. Zuletzt machte sie sich für das Hansaviertel stark
Das Wort Ruhestand kannte sie nicht. 1999, da war sie 67 Jahre alt, zog Marlene Zlonicky von Nordrhein-Westfalen nach Berlin. Die Architektin und Stadtplanerin wollte mitmachen bei der Wiederentdeckung des Hansaviertels, jenes modernen Wurfs der IBA von 1957, der im neuen Berlin ins Abseits geraten war. Seitdem wohnte sie in der Klopstockstraße, mittendrin im Hansaviertel und nah an der Akademie der Künste.
Marlene Zlonicky war eine Verteidigerin der Moderne, aber keine Ideologin. Mit ihr über Stadt und Urbanismus zu reden, war ein wilder Ritt durch Theorie und Praxis, bei dem sie nie ihre Neugier verloren hat. Als ihre Akademie für Städtebau und Landesplanung 2009 über „Bilder der Stadt“ nachdachte, übernahm Zlonicky das Thema „Stadt als sinnliche Wahrnehmung“ – und erklärte beim Tee, wie man Gentrifizierung auch an Gerüchen erkennen kann.
Tatsächlich hat sie ihre Projekte und die Debatten um das neue Berlin immer aus der Perspektive der Nutzerin gesehen – und noch jeden mit ihrer wilden Klugheit überrascht. Bis zuletzt. Am 20. Februar starb sie am Krebs, den sie schon einmal besiegt hatte. So long, unterschrieb sie immer ihre Mails. So long, Marlene Zlonicky. UWE RADA