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Wild in weinrotem Samtabendkleid

■ Manchmal nur dekorativ: Markus Imhoofs Frauenporträt Flammen im Paradies

Die verwegene Geschichte der eigenen Vorfahren zu verfilmen – einen schöneren Anlaß könnte es für einen Liebesfilm nicht geben. Markus Imhoof hat es getan. Aus enttäuschter Liebe ließ sich seine Großmutter Anfang des Jahrhunderts vom Basler Missionskomitee als Braut nach Indien schicken. Als sie den verordneten Missionar zum ersten Mal sah, fiel sie in Ohnmacht. Kein Einzelfall, denn tatsächlich verwaltete die Kirche in Sorge um „Evangelium, Aufklärung und Gerechtigkeit bis in die dunkelsten Erdteile“ ihre Kolonien mit solchen Enthusiasmus, daß auch das Anwerben und Aussenden der zukünftigen Ehefrauen für die stationierten Pfarrer dazugehörte.

Der Schweizer Markus Imhoof, der für seinen Film Das Boot ist voll den silbernen Bären und eine Oscarnominierung bekam, baut um die eigene Familiengeschichte mit seiner Lebensgefährtin und Co-Autorin Judith Kennel eine spannende Fiktion: Georgette bemerkt auf ihrer Hochzeitsreise, daß ihr Ehemann eigentlich nur die Fabrik des Vaters geheiratet hat. Auf dem Schiff lernt die eigenwillige und selbstbewußte Frau die verängstigte Schwester Esther kennen, die in Indien einem wildfremden Missionar versprochen wurde. Georgette geht kurzerhand als Schwester Esther von Bord. Auf der Missionsstation soll die fromme Braut ordnen, was im Argen liegt. Die falsche Esther stellt jedoch alle Regeln auf den Kopf und konfrontiert Missionar Gustav mit aufbrausendem Gefühl. Aus Abneigung wird Liebe. Der Missionar muß erkennen, daß seine Versuche, den Indern seinen Gott aufzuzwingen, sinnlos waren.

Bei den monatelangen Dreharbeiten zu Flammen im Paradies, der um Vergleiche mit Das Piano nicht herumkommt, trieben Hitze, Durchfall, Ratten im Bett und die Distanzen zwischen den Drehorten das Team an den Rand ihrer Kräfte. Bis zu hundert Leute waren teilweise am Set, gesprochen wurde in diversen Sprachen: Schweizerdeutsch, Englisch, Malaiam – und zum Schluß dann gar nicht mehr, denn Markus Imhoof hatte es zum Ende der Dreharbeiten die Sprache verschlagen.

In seiner Bildersprache sind die Strapazen kein Thema mehr: Für den Betrachter stehen die Schönheit des Landes und der Menschen im Vordergrund – und Elodie Bouchez, die als Georgette eine kämpferische junge Frau darstellt. Imhoofs Versuch, sie als Heldin in einer religionsblinden Welt zu stilisieren, wirkt allerdings überzogen. Mit ihrem finanzstarken Background und ihrer Schönheit ist sie von vornherein gerettet, egal, was sie tut. Als junge Wilde im weinroten Samtabendkleid stakst sie aber äußerst dekorativ durch den Ganges auf dem Weg in eine unbestimmte Zukunft.

Stefanie Heim

Do, 10. bis Di, 15. Juni, 20.30 Uhr, 3001

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