Wiens Exbürgermeister Zilk: Spitzeln im Walzertakt
Der SPÖ-Bürgermeister Zilk soll bis 1968 für den Geheimdienst der Tschechoslowakei spioniert haben. Waren es Schulden aufgrund seines Lebensstils, die ihn dazu gebracht hatten?
WIEN taz "Helmut Zilk, Spion". Für das österreichische Wochenmagazin profil, das seine jüngste Ausgabe mit dieser Aufmachergeschichte herausbrachte, gilt als erwiesen, dass Wiens Ex-SPÖ-Bürgermeister Spitzeldienste für den tschechoslowakischen Geheimdienst leistete.
Die Vorwürfe sind nicht neu und wurden von Zilk, der vergangenen Oktober 81-jährig starb, immer bestritten. Jetzt wurden in Prag Dokumente aus der kommunistischen Ära freigegeben, die den Verdacht erhärten. Der Fernsehmoderator, der 1965 durch seine Kooperation mit dem tschechoslowakischen Rundfunk und erste Livediskussionen in Prag Fernsehgeschichte schrieb, hatte durch diese Zusammenarbeit enge Kontakte zur CSSR-Botschaft in Wien geknüpft. Viele der Botschaftsangehörigen waren damals Geheimdienstagenten, zumal die tschechoslowakische Stasi in Wien auch für den KGB tätig war.
Zilk war immer schon ein geschwätziger Mensch. Nach einiger Zeit begannen ihn die Agenten gezielt zu befragen und boten ihm Geld für Informationen über die Entwicklung in der SPÖ und bestimmte Entscheidungen der Regierung an. Zilk, der wegen seines aufwendigen Lebensstils hohe Steuerschulden hatte, soll 70.000 Schilling angenommen und quittiert haben. In heutiger Kaufkraft entspricht das etwa 30.000 Euro. Alle 14 Tage musste Informant "Holec" berichten. Dabei verriet er keine Staatsgeheimnisse, wie der Prager Militärhistoriker Prokop Tomek meint, aber immerhin "wertvolle ergänzende Informationen".
Nach der Beendigung des Prager Frühlings durch den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen 1968 endete diese Kooperation. Jirí Grusa, der tschechische Exbotschafter in Wien, hält die von profil veröffentlichten Dokumente für echt. Auch Gerhard Bacher, damals als ORF-Generalintendant Zilks Chef, fordert volle Transparenz. Laut den tschechischen Quellen war die österreichische Staatspolizei spätestens ab 1969 informiert. Die entsprechende Akte ist aber verschwunden. RALF LEONHARD
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