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Wiedersehen in Bremerhaven

■ Marita Lorenz stellte ihren Film „Lieber Fidel“ in Bremerhaven vor, traf dabei ganz alte Bekannte und sang sich over the ocean

Mit einem neuen Film geht man auf Werbetour, und dies tun nun auch Wilfried Huismann und Marita Lorenz mit ihrem Film „Lieber Fidel“. Nach einer triumphalen Premiere in der Bremer Schauburg gab es am Sonntag noch eine Matinee im Bremerhavener Kino Atlantis, dazu allerhand Interviews und Drehtermine mit divesen Fernsehcrews. Für Marita Lorenz wird das ein bisschen viel, sie ist auch gesundheitlich nach einem Herzinfakt nicht ganz auf der Höhe, und so werden viele Termine kurzfristig wieder abgesagt. Ob sie etwa später in der Woche in der Talkshow eines penetranten Pfarrers im Ruhesstand auftreten wird, ist noch ungewiss. Ein Termin war aber viel wichtiger, und zudem auch wirklich originell: Die Filmproduzenten hatten am Samstag abend zu einem kleinen Treffen auf dem Kneipenschiff „Dat Pannkoken Schip“ im Bremerhavener Fischereihaven eingeladen, und dort sollten sich all jene BürgerInnen der Stadt einfinden, die Marita in der Zeit kannten, als sie in Bremerhaven wohnte. Tatsächlich kam auch eine Handvoll von Herren und Damen im rüstigen Alter, die sich an das kleine Mädchen von damals erinnern konnten.

Alle waren sich einig, dass sie „eine wilde Hummel“ war, alle kannten sie zudem nur unter ihrem zweiten Namen „Ilona“, und Gunnar Schwecke war so galant, dass er selber nicht davon erzählte, wie Ilona ihm damals beim Fahrradfahren einen Zahn ausgeschlagen hat. Diese Information lieferte dafür sehr gerne das damalige Nachbarskind Christa Herlinghaus, die dann auch von dem Weihnachtsfest erzählte, als Ilona plötzlich in der Tür stand, und ihre ganze Familie mit einem großen Geschenkkorb überraschte. Alle deutschen Familien waren nämlich 1947 arm und hungrig, während „Ilona/Marita“ als Tochter einer Amerikanerin im Soldatenquartier der US-Army gut versorgt war. Alle Zeitzeugen erinnern sich daran, das die „wilde“ Ilona ihnen Butter, Margarine oder Kaffee schenkte, und als der lütte Gunnar Schwecke an den Mandeln operiert wurde, bracht ihm Ilona als größten, sonst unerreichbaren Luxus Eiscreme mit. Nur die Weihnachtsbescherung bei Familie Herlinghaus lief etwas aus dem Ruder, denn später am Abend klopfte Ilonas Mutter an die Tür, und fragte, ob ihre Tochter hier etwa all die Geschenke abgegeben habe, die sie vorher unter dem eigenen Weihnachtsbaum geklaut hatte.

Solche Schotten erzählten die ehemaligen Spielkameraden von Marita Lorenz sehr aufgeräumt, und mit einer oft erstaunlichen Detailtreue. So wussten alle noch, das Ilonas Hund vor über fünfzig Jahren „Flockie“ hieß, und Gunnar Schwecke wusste noch einen englischen Satz, den sich die Lorenzgeschwister damals zuriefen, und mit dem sie ihn, der Ilona bis dahin immer nur deutsch hatte reden hören, völlig verblüfften.

Ilona Lorenz zog, dann schon als Marita, 59 noch einmal für ein Jahr nach Bremerhaven. An diese Zeit erinnert sich Veronika Lipski gut, die die Freundin von Maritas Bruder Philip war, einmal in Maritas Wohnung nichtsahnend das klingelnde Telefon abnahm, und lautes spanisch aus der Hörmuschel vernahm. Philip nahm den Hörer, sprach mit dem Anrufenden, der offensichtlich gar nicht darüber erfreut war, dass Marita gerade nicht da war, und erklärte dann der Frau Lipski aus Bremerhaven, dass sei gerade ein etwa unwirscher Fidel Castro am Telfon gewesen.

Marita genoss diesen Abend offensichtlich aus vollen Zügen. Während sie sonst immer ein wenig angespannt und unsicher wirkte, schien sie an diesem Abend in dieser Gesellschaft tatsächlich wieder heimgekommen zu sein. Ob sie nun jeden tatsächlich wiedererkannte, oder nur höflich so tat, mag dahingestellt bleiben, aber diese Renunion war wirklich berührend. Und als später am Abend dann eine Herrenrunde aus dem Münsterland begann, mit lauten Männerchorstimmen Seemanns und –trinklieder zu singen, war der Abend perfekt. Wobei es noch eine schöne Pointe gab, als Marita Lorenz, die Geliebte von Fidel Castro, das Lied „My Jonny is over the ocean“ mit leuchtenden Augen mitsang.

Wilfried Hippen

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