Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl: Vom Saulus zum Paulus?
CDU-Chef Kai Wegner startet in den Wahlkampf: Er, der einst vehement gegen den Mietendeckel kämpfte, will nun mehr Mieterschutz.
Ein Wahlwiederholung würde es den Berlinern aus Wegners Sicht ermöglichen, die rot-grün-rote Koalition zu bewerten – wie nach einem Jahr Probezeit. Das jedoch gilt auch für ihn selbst – und dabei hat Wegner im Parlament nicht immer den stärksten Eindruck gemacht und die Oppositionsführerschaft öfter der weit kleineren FDP-Fraktion überlassen. Das spezielle Verfahren der Wiederholung gibt ihm eine unverhoffte zweite Chance: Die Spitzenkandidaten sind, wie laut Gesetz alle Kandidaten, dieselben wie 2021.
Wegner sieht nicht viel Gutes in der rot-grün-roten Koalition, sieht Berlins Ruf durch die Wahlpannen beschädigt – wobei die noch in die Zeit der Vorgängerkoalition fielen. In die mutmaßliche Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 will er mit einer überraschenden inhaltlichen Wendung gehen: Er, ein entschiedener Gegner des 2021 gerichtlich gescheiterten Mietendeckels des rot-grün-roten Senats, ruft nach mehr Mieterschutz.
Konkretes dazu will Wegner am Wochenende bei einer Klausurtagung seiner Fraktion in Düsseldorf vorstellen. Mutmaßlich wird das auch ein Thema beim Landesparteitag Ende November. „Ich werde dem einen oder anderen in meiner Partei mit dem Mieterschutz etwas zumuten“, ist von Wegner am Mittwoch zu hören. Auch am Wochenende erwartet er Debatten: „Ich will eine Diskussion in Düsseldorf.“
Kritik an Franziska Giffey
Er, der Mietendeckelgegner, kritisiert Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) dafür, dass der Mieterverein das von ihr angeschobene Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten nicht unterzeichnete. Für Wegner hat Giffey einen schnellen Erfolg durch den Abschluss des für Juni versprochenen Bündnisses über Nachverhandlungen gestellt. Die CDU setze zwar weiterhin darauf, dass sich die schlechte Lage auf dem Wohnungsmarkt – „ich würde von einer Notlage sprechen“ – langfristig nur durch mehr Wohnungen verbessern lässt. Kurzfristig aber soll mehr Mieterschutz her.
Das Reiseziel der Klausurtagung passt Wegner, der seit Jahren die Grünen zu umarmen und von der SPD wegzulocken versucht, genau ins Konzept: In Nordrhein-Westfalen regiert seit dreieinhalb Monaten eine schwarz-grüne Koalition. Sein Aufruf an die Berliner Grünen: Die sollten sich doch mal mit den dortigen grünen Kabinettsmitgliedern treffen, um zu hören, dass es durchaus geht mit den Christdemokraten. Sich selbst grünen Ministerbesuch in die Klausurtagung zu holen, ist nicht vorgesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut