■ Wieder musste CDU-Chef Wolfgang Schäuble ein Treffen mit Waffenhändler Schreiber zugeben. Es ist mittlerweile das dritte. Das ist an sich kein Skandal, doch Schäuble hat mit dem neuesten Zugeständnis das Einzige verloren, was er noch hatte: seine Glaubwürdigkeit: Ihn will man nicht mal als Pförtner
Er hat doch nur getan, was alle immer von ihm fordern: aufklären. Ganz so, wie es ihm in den unzähligen Leitartikeln und Besinnungsaufsätzen der letzten Wochen anempfohlen wurde. Und so nahm ein weiteres Unglück im Alltag des Aufklärers Wolfgang Schäuble seinen Lauf.
Es begann mit einer Anfrage der ARD-Redaktion „Monitor“ – rechtzeitig vor Ausstrahlung der Sendung am Montagabend. Der Waffenhändler Karlheinz Schreiber berichte von noch einem Treffen mit dem CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzenden. Schäuble blickte in seinen Kalender des Jahres 1995 und siehe da, es fand sich ein weiterer Termin. Er informierte die Öffentlichkeit. Rasch, unumwunden, ohne Rücksichtnahme auf die eigene Person gestand er seinen Fehler ein. Er hat getan, was alle immer von ihm fordern. Trotzdem dankt es ihm keiner.
„Ich werde ihn nicht vom Sockel stoßen“, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter am Tag nach Schäubles jüngstem Geständnis. „Aber ich glaube, er fällt von alleine.“ In den Augen des einstigen Schäuble-Anhängers sind dabei die Einlassungen vom Montagabend – „das war ziemlich blöd“ – nur Teil des Problems.
Bremens CDU-Chef Bernd Neumann drückt es so aus: „Das sind Mosaiksteine.“ Schäubles letzte Korrektur früherer Aussagen fügt sich in das ungute Bild, das in den letzten Wochen in Partei und Öffentlichkeit entstanden ist. Nur unter dem Druck bevorstehender Enthüllungen, so der Eindruck, gibt der langjährige Weggefährte Helmut Kohls sein Wissen preis. Obwohl Wolfgang Schäubles jüngstes Geständnis keinen neuen Skandal ans Licht brachte, gefährdet der CDU-Chef damit das einzige Kapital, das ihm zur Rettung seiner Partei geblieben ist: seine Glaubwürdigkeit.
Zweimal hat Schäuble sich inzwischen korrigieren müssen, seit er am 2. Dezember letzten Jahres im Bundestag behauptete, Schreiber lediglich einmal begegnet zu sein. Sein definitives „Das war's“ hat der CDU-Vorsitzende längst bitter bereut. Inzwischen sind aus einem Treffen drei geworden sowie eine Geldübergabe von 100.000 Mark.
„Jeder, der etwas weiß, muss es jetzt endlich sagen“, schrieb er in einer Lokalzeitung seiner baden-württembergischen Heimat über die CDU-Finanzaffäre. Da hatte er das erste Geständnis, die Bargeldspende, gerade hinter sich. „Verzögern oder Verschleiern macht die Sache nur noch schlimmer“, schrieb ein geläuterter Schäuble, „dies musste ich auch aus einem eigenen Fehler lernen, der mir leid tut und für den ich mich entschuldige.“ Die „Pflicht und die dringendste Aufgabe der Parteiführung“ sei jetzt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, heißt es in dem Artikel vom 21. Januar. Exakt zehn Tage später musste der Parteichef das nächste Mal widerrufen.
Schäuble reklamiert, der Termin mit Schreiber sei zwar in seinem Kalender gestanden, erinnern könne er sich aber nicht mehr daran. „Ich glaube, das hat er wirklich übersehen“, hält ihm selbst der Kohl-nahe Bremer Landeschef Neumann zugute. Schließlich habe es sich bei der jetzt bekannt gewordenen Begegnung mit Schreiber nur um ein kurzes Gespräch gehandelt. „Das hätte er ja beim letzten Aufräumen schon sagen können, das wäre ein Abwasch gewesen.“
Der Hamburger Landesvorsitzende Dirk Fischer weiß den Rat beizusteuern, bei einem so pikanten Thema sei es sicherlich besser, „man prüft seinen Terminkalender, bevor man Aussagen macht.“ Den Rücktritt fordern weder Fischer noch andere Landesvorsitzende wie Christian Wulff in Niedersachsen und Jürgen Rüttgers in NRW. Doch Schäuble nützt die Milde seiner Parteifreunde nichts mehr. Sein Anspruch auf Glaubwürdigkeit war bisher seine Stärke. Jetzt droht sie zu seiner Achillesferse zu werden.
Jens Eckhoff, CDU-Fraktionsvorsitzender in Bremen, orakelt bereits: „Ich glaube nicht, dass Schäuble derjenige sein wird, der die Partei in die Zukunft führen kann.“ Ob Schäuble den Parteitag im April als Parteivorsitzender überlebt, wird immer fraglicher.
Der ehedem Schäuble-treue CDU-Bundestagsabgeordnete, der lieber ungenannt bleiben möchte, sieht die eigentliche Katastrophe allerdings erst noch bevorstehen. Er ist sich sicher, dass Schäuble demnächst ein weiteres Eingeständnis droht. Womöglich habe der Parteichef in der Frage der verwirrenden Wege der 100.000-Mark-Spende des Waffenhändlers Schreiber gelogen. Schreiber behauptet, die Summe sei an die damalige CDU-Schatzmeisterin gegangen. Schäuble bestreitet das. „Der Kollege Schreiber hatte bisher immer Recht“, sagt sarkastisch der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Schimpf und Schande“ prophezeit er seinem Fraktionsvorsitzenden, wenn Schreibers Version zutrifft. „Dann wird er im April nicht mal mehr eine Abschiedsrede halten.“
Patrik Schwarz
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