piwik no script img

Archiv-Artikel

Wie weiter?

2001 wurden 2,28 Millionen Menschen in Deutschland einer Straftat verdächtigt – nur 530.000 davon waren Frauen (23 Prozent). Bei schweren und mit Gewalt verbundenen Straftaten war die Männerquote unter den Verdächtigten weit höher: 99 Prozent bei Vergewaltigung oder sexueller Nötigung, 91 Prozent bei Raubdelikten, 87 Prozent bei Mord und Totschlag sowie schwerer Körperverletzung. 60.742 Menschen saßen Ende März 2002 in Deutschland im Gefängnis, 95,5 Prozent der Strafgefangenen waren Männer. Opfer von Männergewalt werden zu rund zwei Dritteln ebenfalls Männer.

Nach inzwischen landläufiger Meinung fehlt es in der männlichen Sozialisation an (positiven) männlichen Vorbildern. Kein Wunder: Im Vorschulbereich sind fast zu hundert Prozent nur Erzieherinnen tätig. Zwei Drittel aller Lehrkräfte in Deutschland sind Frauen, in der Grundschule sogar 82 Prozent. Stärker vertreten sind männliche Lehrkräfte lediglich auf dem Gymnasium und im Berufsschulbereich.

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz sagt zur Kernaufgabe von Jugendhilfe, es seien „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern“ (§ 9.3 KJHG). Zunächst wurden Konzepte entwickelt, die sich Mädchen und ihren Problemen widmeten – „Mädchenarbeit“. Danach entdeckten die Pädagogen das andere Geschlecht. Entwickelt wurde die Jungenarbeit. Gängige Definition: „Jungenarbeit ist die geschlechtsbezogene pädagogische Arbeit von erwachsenen Männern mit Jungen.

Jungenarbeit soll Jungs helfen, ohne Gewalt und Kriminalität zum Mann zu werden. Da hilft es nicht, nur das traditionelle Bild von Männlichkeit abzuwerten. Die Botschaft, „ihr müsst euch ändern!“, erreicht gerade die männlichen Heranwachsenden nicht, die als „Problemkinder“ klassische Klientel der Jungenarbeit sind. Jungen brauchen Herausforderung und Rituale. Wer sie erreichen will, muss das akzeptieren und ihnen andere Wege zeigen, sich zu messen und zu beweisen.

Eine Vielzahl von Gruppen und Initiaven will Männern helfen, aus dem Gewaltkreislauf auszubrechen, bevor es zu spät ist:

Das Berliner Zentrum für Gewaltpräventionwww.bzfg.de – richtet sich an alle, die von Gewalt betroffen sind. Egal ob als Mann oder Frau, Opfer oder Täter, ob nach einem Gewaltausbruch oder schon, wenn man das erste Mal etwas in sich aufkochen spürt. Zentrales Angebot: Ein Gruppenprogramm zur Entwicklung gewaltloser Lebensperspektiven.

Die Webseite www.4uman.info empfängt den Besucher mit einer Fahrt durch die Gedankenwelt eines Mannes, der einen Gewaltausbruch vor sich selbst rechtfertigt. Nach ein paar Klicks führt ein Navigationssystem in allen möglichen Richtungen: Zu Beratungsstellen für gewalttätige Männer in ganz Deutschland, Persönlichkeits- und Partnerschaftstests, Erfahrungsberichten. Gefördert vom Bundesfamilienministerium.

Andere Anlaufstellen:

Berliner Kampagne Gemeinsam gegen MännerGewalt: www.kampagne-ggg.de; Männer gegen Männergewalt: www.maenner-gegen-maennergewalt.de; Jedermann: www.jedermann.org, www.maennerberatung.de WIEBKE HOLLERSEN