■ Wie man einen Volker Rühe über den Tisch zieht: Wie schwer ist der Jäger-Light?
Der Neue war noch kaum zwei Wochen im Amt, da ging bereits ein Raunen durch Ministerien und Vorstandsetagen: Rühe, so hieß es, mache Ärger beim Jäger 90. Und tatsächlich, ein Gerücht wurde wahr. Volker Rühe, ein Mann der klaren Worte, hatte sich zur Imagepflege den Jäger 90 ausgesucht. Das Objekt war klug gewählt, Rühe konnte eigentlich nur gewinnen. Schon lange vor dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums war die Kostenexplosion beim europäischen Kampffliegerprojekt Jäger 90 heftig beklagt worden. Der Stückpreis pro Flieger zusammen mit seinem todbringenden Arsenal — der sogenannte Systempreis — stieg auf die schwindelerregende Summe von bis zu 180 Millionen Mark, je nachdem, wer gerade rechnete. Selbst Kritiker innerhalb des Militärs wiesen darauf hin, daß unbemannte intelligente Raketen wie beispielsweise weiterentwickelte Cruise-Missiles dieselbe Funktion wie der Jäger 90, nur erheblich billiger, ausüben könnten. Als sich dann die Bedrohung aus dem Osten auch noch in Luft auflöste, sprach tatsächlich rein gar nichts mehr für den fliegenden Kassenplünderer, außer den Beharrungskräften derjenigen, die nun einmal wollten, daß alles weitergeht, wie geplant.
Aber doch nicht mit Volker. Niemals könne er den Arbeitslosen in Ostdeutschland erklären, warum hier sinnlos Milliarden verpulvert würden, das Projekt Jäger 90 sei mit ihm nicht zu machen. Der Mann ließ aufhorchen, plötzlich hieß es in Insiderkreisen, mit Volker Rühe sei vielleicht ein Nachfolger Kohls in Sicht. Doch hinter den Kulissen war die Operation „Demontage Volker“ bereits in vollem Gange. Als erstes bekam der Kanzler himself den Zangengriff des größten deutschen Konzerns im Verein mit der Regierung Ihrer Majestät zu spüren. Major setzte Kohl massiv unter Druck, und Daimler Benz ließ kühl Arbeitslosenzahlen, fällige Konventionalstrafen und die Kosten etwaiger Kompensationsgeschäfte hochrechnen. Unterdessen gab DASA-Chef Schremp öffentlich den Rückzug der deutschen Industrie aus dem Kampf um einen Platz unter den führenden Industrienationen bekannt — falls Rühe sich durchsetze.
Unter diesem Druck bot Rühe schließlich an, aus den bereits fertigen Komponenten des Jäger 90 ein neues, billiges Jagdflugzeug bauen zu lassen — ein Projekt, das gleich als „Jäger-Light“ die Runde machte. Seitdem ging es mit Rühe stetig bergab. Auf dem CDU-Parteitag wurde er das prominenteste Personalopfer, und unter dem Trommelfeuer von Rüstungslobby, CSU und Alliierten wurde der leichte Jäger immer schwerer. Mittlerweile ist die Operation „Demontage Volker“ fast abgeschlossen. Es gilt als sicher, daß der Jäger gebaut wird — auf dem Papier 30 Millionen billiger, als geplant. Eine Planung, die selbstverständlich nicht realisiert wird. Trotzdem hat Rühe gesiegt: er bekommt ein neues Flugzeug. Der Jäger soll zukünftig nicht mehr„ EFA“, „European Fighter Aircraft“ heißen, sondern NEFA, „New Europaen Fighter Aircraft“. Jürgen Gottschlich
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