: „Wie hin- und hergerissen sein“
■ Das schwierige Portrait mit dem Wachmann eines Asylbewerberlagers
Allein der Versuch, ein Gespräch mit Peter K. zu führen, gestaltet sich schwierig. Berichte und Meldungen über rechtsradikale Tendenzen bei Wachmännern haben nicht gerade das Image dieses Berufes aufpoliert. Doch Vorurteile gegenüber dieser Berufsgruppe sind wie überall fehl am Platze. Peter K.*, ursprünglich aus dem Osten Deutschlands kommend, arbeitet als Wachmann in einem Asylbewerberlager im hessisch-bayerischen Grenzgebiet. „Nein, daß ich in einem Lager mit Asylbewerbern als Wachmann eingesetzt würde, das war nicht unbedingt mein Wunsch“, erzählt Peter. „Im Osten war mir die Situation sehr unsicher, mit Arbeit und so, und daher beschloß ich, hierher in den Westen zu kommen, und das Erstbeste, was ich fand, war halt die Wach- und Schließgesellschaft. Dabei habe ich noch Glück gehabt. Ich kenne viele aus dem Osten, die hier keine Wohnung haben, die leben in Containern von der Firma und die sehen ihre Familien nur am Wochenende – wenn sie nicht Dienst schieben müssen.“
Zögerlich, fast zaghaft spricht Peter K. über seine Arbeit. Verunsichert sei er, hin- und hergerissen zwischen den Erwartungen der Kollegen und all dem menschlichen Leid, das er da oft mitbekomme. Ich muß ihm versprechen, weder seinen Namen noch seinen Einsatzort zu nennen. Die Angst vor Schikanen durch die Vorgesetzten und auch durch die Kollegen ist groß. „Allein die Tatsache, daß man aus dem Osten kommt, macht dir das Leben hier schwierig. Es gibt da so 'ne Art Hierarchie unter uns. Und wenn du da noch sozusagen aus der Reihe tanzt, von wegen anderer Meinung und so.“ Auf meine Frage, ob er seine Aussage mit Beispielen präzisieren könne, kommt die Antwort sehr zögerlich. „Also“, legt er dann los, nachdem er sich schon die x-te Zigarette angezündet hat, „zum Beispiel wenn du am Wochenende Dienst hast oder nachts. Wenn die Tore des Lagers geschlossen sind, und dann tauchen Leute auf mit Kindern und so. In der Theorie dürfen wir die nicht reinlassen oder denen irgendwie helfen. Egal ob es draußen regnet oder die Sonne scheint, ob die Leute durstig sind oder sich ausruhen wollen. Die müssen warten, bis am nächsten Morgen wieder geöffnet wird. Und es gibt Kollegen, die halten sich auch stur an die Anweisungen. Aber ich, ich kann das nicht. Ich versuche auch oft mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Zu erfahren, woher sie kommen und die Gründe und so. Aber das wird nicht gerne gesehen. Dann wirst du von den anderen Kollegen schon mal angemacht. Weil, ich kann ein paar Brocken Englisch und so.“
Peter K. möchte nicht als Schwächling gelten, deswegen müsse er oft anders handeln, als er denkt. Nur ja nicht bei den Kollegen negativ auffallen. Er wisse auch, so berichtet er, daß die Flüchtlinge oft gar nicht wahrnehmen können, daß er anders sei als die anderen Wachmänner. „Weil, du trägst ja eine Uniform, du kannst Anweisungen geben, du bist ja praktisch eine Autoritätsperson für die ganzen Asylbewerber. Und wenn es an die Auszahlung des Taschengeldes geht oder einfach nur bei der Essensausteilung, da mache ich schon Gebrauch davon. Da passe ich schon auf, daß Frauen oder Kinder nicht hinten angestellt werden. Weil, auch innerhalb der Asylbewerber gibt es ja Hierarchien. Also, da passe ich schon auf.“
Ich frage ihn nach den Kompetenzen im Lager, wie weit die reichen. Wieder folgt die Antwort nach einigem Zögern. „Ich will es mal so formulieren. Wir bewegen uns in einer gewissen Grauzone. Weil, wir haben zwar den Vollzug und bekommen auch von der Lagerverwaltung Anweisungen beim Hausrecht und so, aber so genau, so präzise ist das nicht formuliert. Da ist noch einiges zu klären, würde ich mal sagen.“ Viele Kollegen, ergänzt Peter, die würden ohne jegliche Vorkenntnisse in einem solchen Lager eingesetzt, wüßten nichts über Asylrecht oder den Verwaltungsablauf, und auch die Fremdsprachenkenntnisse seien mangelhaft. Deswegen entstünden auch viele Spannungen, die sich eigentlich auch vermeiden ließen. Viele würden nur Dienst nach Vorschrift leisten. Für Sentimentalitäten sei da wenig Platz. Aber solche „Vögel wie ich“, sagt Peter K. abschließend, sind schon selten unter dem Wachpersonal. Pablo Diaz
* Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen