Wie er die US-Wahl gewann: Die Methode Trump
Der kommende US-Präsident Trump hat seit 2016 den Diskurs über Gesellschaft und Politik zerstört. Tesla-Chef Elon Musk wurde zum wichtigsten Helfer.
H at am Ende ein Apostroph Kamala Harris die Wahl gekostet? Es geht um den Apostroph, den das Stenografenteam des Weißen Hauses nachträglich in das Transkript einer Rede des Noch-Präsidenten Joe Biden eingefügt hat. Aufgedeckt hat das eine Nachrichtenagentur. Nur ein Apostroph entscheidet darüber, ob Biden alle Wähler Donald Trumps als „Müll“ bezeichnet hat oder nur den einen geschmacklosen Comedian, der bei einer Großveranstaltung Trumps im New Yorker Madison Square Garden von der zu den USA gehörenden Karibikinsel Puerto Rico als „einen im Ozean schwimmenden Müllhaufen“ sprach.
„Er hat Euch Müll genannt“, sagte Trump. „Das ist ja noch schlimmer als ‚die Bemitleidenswerten‘“. Als „deplorables“ hatte Hillary Clinton 2016 manche Trump-Anhänger bezeichnet, und der Begriff hing ihr später wie ein Mühlstein um den Hals. In einem Buch gab sie zu, damit Trump „ein politisches Geschenk“ gemacht zu haben.
In fast jeder Präsidentschaftskampagne gab es eine prägende, womöglich wahlentscheidende Aussage. Ronald Reagan fragte 1980 vor seinem Sieg gegen Jimmy Carter: „Geht es Euch besser als vor vier Jahren?“, Bill Clinton hämmerte 1992 seinem Wahlkampfteam ein: „Es kommt auf die Wirtschaft an, ihr Dummköpfe“. Bei Barack Obama war es nur ein einziges Wort: „Hope“.
Das Geheimnis des Donald Trump
Donald Trump hingegen sagt seit Monaten Dinge, die seine Anhänger und vor allem Anhängerinnen abstoßen müssten. Doch es hat ihm nicht geschadet. Es hat nicht dazu geführt, dass seine Umfragewerte gesunken wären. Und er hat trotz – oder vielleicht auch wegen – all der hetzerischen und unwahren Behauptungen die Wahl gewonnen.
Was ist das Geheimnis der Methode Trump? Sie hat mehrere Elemente. Das wichtigste ist: Wiederhole deine Botschaft immer wieder! Es spielt keine Rolle, ob sie stimmt oder erfunden ist. Mache es einfach so lange, bis sie in den Köpfen hängenbleibt. Irgendwann gibt es genug Leute, die davon überzeugt sind, dass etwas daran sein muss – weil sie es oft genug gehört haben, von verschiedenen Leuten, auf verschiedenen Kanälen, weil die Lügen auf Facebook oder X zitiert und vervielfacht wurden.
Dann glauben am Ende Millionen fest, dass es bei der Wahl 2020 Betrug in großem Stil gab oder dass der mehrfache Bankrotteur Trump als Präsident die Wirtschaft in Schwung bringen und das Leben wieder bezahlbar machen wird. 30.000 „Unwahrheiten“ Trumps hat die Washington Post bis zum Ende seiner ersten Amtszeit gezählt.
Das zweite Element: Spalte die Gesellschaft in gut und böse, Freunde und Feinde. Es ist eine Grundregel aller Populisten, Sündenböcke zu identifizieren und ihnen allein die Verantwortung für beliebige Probleme zuzuweisen. Als solche galten für ihn vor allem Migrantinnen und Migranten, die die Demokraten zu Millionen ins Land gebracht hätten, um die weiße Bevölkerung zur Minderheit zu machen. Bei ihnen handele es sich um „Mörder, Vergewaltiger und Kriminelle“, so sein pauschales wie absurdes Urteil.
Statistisch nur schwer zu untermauern
Trumps Behauptung, Einwanderer erhöhten die Kriminalität, wird von den Fakten nicht gedeckt. Zwischen 1980 und 2016 ist die Gesamtzahl der in die USA Immigrierten um 118 Prozent gestiegen. Gewaltkriminalität in den USA nahm von 1980 bis 1990 zu, sank dann aber bis 2016 deutlich um 36 Prozent.
Die Zahlen stammen vom Marshall Project, das Statistiken über das US-Justizsystem sammelt und veröffentlicht. Die New York Times titelte ihren Artikel über diese Zahlen mit: „Der Mythos vom kriminellen Einwanderer“. Doch weil Trump immer wieder das Gegenteil behauptete, war 2017 fast die Hälfte der US-Bürger laut Umfragen davon überzeugt, dass Einwanderung zu mehr Kriminalität führe. Immer wieder übergangen wird auch, dass Migranten jährlich zweistellige Milliardenbeträge an Steuern und Sozialbeiträgen zahlen, obwohl sie nie Social Security (Rente) beziehen werden.
Papierlosen Migranten spricht Trump die Menschlichkeit ab und bezeichnet sie als „Tiere“, die „das Blut unseres Landes vergiften“. Er machte seine Konkurrentin um das Weiße Haus direkt verantwortlich: „Kamala hat eine Armee illegaler fremder Gang-Mitglieder aus den Kerkern der Dritten Welt, aus Gefängnissen und Irrenanstalten importiert, und sie hat sie schön in unserer Mitte angesiedelt, damit sie unschuldigen amerikanischen Bürgern auflauern“.
Ebenso lässt sich das Gefühl, dass das Leben in den USA unter Joe Biden drastisch teurer geworden sei, zumindest statistisch nur schwer untermauern. Laut der Expertise von Moody’s musste ein durchschnittlicher Haushalt am Ende von Bidens Präsidentschaft 1.120 Dollar mehr im Monat ausgeben. Das Haushaltseinkommen sei in der gleichen Zeit hingegen um 1.192 Dollar gestiegen – dazu kamen ein gesundes Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit und stark gestiegene Aktienkurse.
Trump hingegen behauptete im August, die Leute würden sich keinen Speck mehr leisten können – und als Grund dafür nannte er allen Ernstes „Windenergie“. Die „gefühlte“ Inflation hatte aber entscheidenden Anteil daran, dass nur knapp 30 Prozent der Wählerschaft sagten, ihr Land sei unter Biden „auf dem richtigen Weg“.
Autokratie vs. Demokratie
Die Methode Trump, Baustein drei: Gib nie einen Fehler zu, bitte niemals um Entschuldigung! Das lässt sich gut an Trumps Umgang mit der Corona-Pandemie zeigen. Am 10. Februar 2020 sagte er nach den ersten Corona-Infektionen über das Virus: „Es sieht so aus, dass es so im April etwa, wenn es etwas wärmer wird, wie durch ein Wunder verschwinden wird. Ich hoffe das.“
In einer Rede am 11. März, nach 33 Corona-Toten in den USA, sagte er, dass für „die große Mehrheit der Amerikaner das Risiko sehr, sehr gering“ sei. Genau zwei Monate später waren in den USA bereits 80.000 Menschen gestorben, aber Donald Trump gab kund, die Corona-Zahlen gingen „fast überall nach unten“. Bis zur Wahl im November wurden neun Millionen Infektionen und 230.000 Todesfälle registriert.
Schuld daran waren laut Trump mal die Medien, mal die Gouverneure demokratisch regierter Bundesstaaten, dann China und schließlich die Weltgesundheitsorganisation. Bedauert hat Trump später lediglich, dass wegen Corona die Geschäfte in seinem Hotelbetrieb in Mar-a-Lago schlechter gelaufen seien.
Das vierte Element der Methode Trump: Antworte auf Kritik politischer Gegner stets mit gleicher Münze! Viele warnten vor einer Autokratie, sollte Trump wiedergewählt werden. Trump hingegen sprach immer wieder davon, dass „die Verrückten in unserer Regierung“ das Land zerstören würden. Im September sagte er in der TV-Debatte mit Kamala Harris: „Sie sprechen über Demokratie, ich sei eine Bedrohung der Demokratie. Sie sind die Bedrohung der Demokratie“.
Dabei hatte er selbst angekündigt, er werde „einen Tag lang wie ein Diktator regieren“ und auf seiner Plattform Truth Social gefordert, angesichts des „massiven Betrugs“ bei der Wahl von 2020 „die Verfassung auszusetzen“. Kritiker verwiesen auf Pläne des Project 2025, die Machtbefugnisse des Präsidenten deutlich auszuweiten.
Das Dream-Team
Baustein Fünf der Methode Trump ist wahrscheinlich der wichtigste: Umgehe die etablierten Medien und schaffe Dir eigene Kommunikationskanäle! Trump hat die etablierten Medien von der New York Times bis zu den TV-Sendern CBS oder CNN mehrfach als „Feinde des Volkes“ angeprangert, denn sie seien „fake news media“.
Stattdessen stützte er sich als Präsident auf den Kurznachrichtendienst Twitter, bis sein Konto dort nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gesperrt wurde. Diese Sperrung war eines der Motive für Elon Musk, die Übernahme des Kurznachrichtendienstes in Angriff zu nehmen, die er im März 2022 zu einem Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar vollendete.
Mit seinen Firmen Tesla und Space X war Musk nicht nur der Mann mit dem größten Vermögen, sondern auch der mit den größten Raketen der Welt geworden. Mit Twitter wollte er nach eigener Aussage kein Geld verdienen, sondern einen Ort des unzensierten globalen Austauschs schaffen. Gut zwei Jahre später ist offensichtlich, dass er dabei gründlich gescheitert ist. Seine Egomanie und Sprunghaftigkeit haben Twitter inzwischen zu einem toxischen Ort gemacht, den seine früheren Nutzer derzeit in Scharen verlassen.
Das Dilemma ist, dass Plattformen wie Twitter nicht an die Regeln gebunden sind, die im zivilen Diskurs in der analogen Welt gelten und einer ungehemmten Verbreitung von Hass, Lügen und Beleidigungen gewisse Grenzen setzen. Twitter, Facebook und dergleichen werden von Sektion 230 des US-Telekommunikationsgesetzes von 1996 von einer entsprechenden Verantwortung befreit. Stattdessen sollen sie selbst ihre Inhalte moderieren.
Das hat aber nie gut funktioniert und regelmäßig Beschwerden provoziert, hier werde Zensur ausgeübt. Ein kaum haltbarer Vorwurf angesichts einer Flut automatisierter Quellen für Gewaltverherrlichung, Terrorpropaganda und Darstellungen sexuellen Missbrauchs, von Verschwörungserzählungen und rechtsextremer Hetze.
Bei X unter Elon Musk waren als erstes tausende Mitarbeitende entlassen worden, die Inhalte auf der Plattform moderieren und fragwürdige Konten löschen sollten. Am 13. Juli rief Elon Musk dann zur Wahl Trumps auf. 130 Millionen Dollar gab er für Trumps Wahlkampf aus. Er deckte seine 204 Millionen Follower auf X mit immer offenerer trumpistischer Propaganda ein – vieles undurchdacht, manches davon frauenverachtend und bisweilen antisemitisch. Seit Trumps Wahlsieg weicht Musk nicht von dessen Seite.
Nun soll er in Trumps Auftrag ermitteln, wie ein Drittel der Ausgaben aus dem US-Haushalt gestrichen werden können. Es müsste ihn ins Grübeln bringen, denn sein Raumfahrtunternehmen SpaceX hat in den vergangenen zehn Jahren staatliche Aufträge in Höhe von 15,4 Milliarden Dollar erhalten. Und die E-Autos von Tesla waren mal als Antwort auf den Klimawandel konzipiert worden – den es doch laut Trump gar nicht gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht