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■ Wie die Bundeswehr zu einem Werbeslogan kam„Wir reden, und der Feind lacht“

„Damit Sie wissen, wovon Sie sprechen, wenn andere darüber reden.“

Dieser Slogan tönt neuerdings täglich aus dem Fernsehkasten und soll junge Männer zur Bundeswehr locken. Wer denkt sich eigentlich so was aus? Was denken diejenigen sich eigentlich dabei? Wir haben die mächtigsten Männer der Republik beobachtet, als sie mit der kreativsten Frau Deutschlands diesen Werbeslogan aus der Taufe hoben. Verteidigungsminister Volker Rühe, sein Chef Helmut Kohl, der Generalinspekteur der Bundeswehr und die Direktrice der erfolgreichsten deutschen Werbeagentur dachten in geheimster Sitzung eine Idee solange an, um, kreuz und quer, bis dieser Satz volles Rohr aus dem Denkpanzer – nichts anderes bedeutet der neudeutsche Think-Tank – schoß.

Rühe: Guten Morgen...

Kohl: (streng): Es ist zwanzick Uhr, Volker!

Rühe: Gehen wir gleich in medias res. Frau Direktrice, Ihr Vorschlag für den Fersehwerbespot.

Direktrice: Ich mach's kurz: Eine echt hippe Clique sympathischer und selbstbewußter Twen-Teens in olivgrünen XXL-Basic-Baseball-Sweatern, Armani-like, aber designed von Karl Lagerfeld...

Generalinspekteur: Oberfeld?

Direktrice: Die Jungs blicken frech und direkt in die Kamera, Flippy- groovy-easy hiphoppen sie durch die Ruine eines zerbombten, vielleicht bosnischen Hauses und shouten auf einen Giga-Mega-Base- Rhythm: „Wir sind die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben!“

Kohl: Ist das nicht von diesem Rudi Dutschke?

Direktrice: Lassen Sie mich das kurz erläutern. Es handelt sich dabei um eine ironisch-dekonstruktive Brechung der Parole der APO-Generation, die ja die Generation der Väter der heute Wehrpflichtigen ist. Der Spruch aus dem Munde der flügge gewordenen Söhne konterkariert sozusagen...

Generalinspekteur (murmelt): Konterkariert! Muß ich als Konteradmiral mir dieses karierte Zivilistengewäsch anhören?

Direktrice: (genervt): ... den schwärmerisch-pseudointellektuellen Salonpazifismus der Generation der Väter und bringt damit den Wertewandel...

Kohl: Konter hin, kariert her. Der Dutschke hat hier nichts verloren.

Direktrice (geduldig): Herr Dr. Kohl! Der Spot soll junge, aufgeweckte und selbstbewußte Menschen ansprechen, nämlich diejenigen, die normalerweise den Wehrdienst verweigern würden. Die eher Trägen gehen ja sowieso zum Bund ...

Rühe (aufgeschreckt): Wie bitte?

Kohl: Apropos aufgeweckt. Da ist doch gerade so ein Jugendmagazin 40 Jahre alt geworden, das junge, selbstbewußte Menschen anspricht ...

Direktrice: Bravo ...

Kohl: Vielen Dank, also die Prima oder so...

Rühe: Bravo!

Kohl: (geschmeichelt): Laß gut sein, Volker ...

Rühe: Dieses Jugendmagazin heißt Bravo. Da spricht ein Dr. Sommer quasi mit den Jugendlichen über ihre zarten Probleme, vor allem über die sexuellen Dinge, wenn zum Beispiel 13jährige, zarte Jungs, die ihre ersten nächtlichen Ejakulationen hinter sich haben, in ihrer Phantasie sich nach erwachsenen kräftigen Männern auf dem Zenit ihrer Macht verzehren, dabei sich ihre noch spärlich behaarten, weichen und weißen Oberschenkel rhythmisch zu reiben beginnen, um dann den Flaum ihrer Scham ...

Generalinspekteur (merkt auf)

Kohl (mahnend): Volker! Also, Frau Direktorin. Läßt sich mit dem Reden nichts machen für unseren Spot über die Bundeswehr?

Direktrice: Man könnte natürlich – statt über Sexualität sozusagen – über die Bundeswehr reden. Zum Beispiel: „Bundeswehr. Laß uns darüber reden.“

Generalinspekteur: (schneidig): Der Kommiß ist kein vorzeitiger Samenerguß, gnädige Frau.

Rühe: Na, Herr General, andere sprechen doch auch darüber, über die Bundeswehr, meine ich.

Generalinspekteur: (leise motzend): Wir reden, der Feind lacht.

Direktrice: (geduldig): Wir wollen doch diejenigen erreichen, die den Dingen zunächst kritisch gegenüberstehen. Die mitreden wollen, beim Sex, in der Politik, in der Verteidigungsfrage. Die wissen wollen, wovon geredet wird.

Rühe: Bravo!

Generalinspekteur: Von was reden die denn?

Kohl: Der Volker wird wissen, wovon die sprechen.

Direktrice: Das ist es! Ja: „Damit Sie wissen, wovon Sie sprechen, wenn andere darüber reden.“

Generalinspekteur (brummt): Wenigstens besser als dieser APO- Spruch.

Rühe: Prima!

Kohl: Bravo!

Joachim Frisch

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