Hand in Hand mit dem Stromkabel: Wie beim Babyphone
■ Ist telefonieren über die Steckdose in einem Jahr auch in Bremen möglich?
Noch ein Jahr, dann sei man technisch soweit, Sprachübertragung über die Stromkabel laufen zu lassen, verkündete jetzt der rheinische Stromgigant Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke (RWE). Endlich also viele, viele Telefonnetze jenseits des Telekom-Netzes? Preisstürze auch im Ortstarif? Wir fragten Dirk Roedler, Geschäftsführer des lokalen Bremer Telefonunternehmens Nordkom, was die neue Übertragungsmöglichkeit für die hiesigen Telefonkunden bedeutet.
taz: Die RWE wollen in einem Jahr mit Telefonie übers Stromkabel gehen. Beginnt dann ein neues Zeitalter der Sprachübertragung?
Dirk Roedler, Nordkom: Das könnte sein. Die sogenannte Powerline-Technik ermöglicht einfach den Zugang zu jedem Haushalt, ja, zu jedem einzelnen Zimmer ...
... und die Telekom mit ihrem Leitungsnetz ist endgültig Telefonie von gestern?
Das wäre dann so. Die Nordkom ist – wie die RWE – Mitglied in dem deutschen Powerline-Forum – mit der Bremer Hochschule machen wir heute schon in drei Bremer Haushalten einen Betriebsversuch für das Telefonieren über Stromkabel.
Welche Probleme gibt es denn noch?
Technische Engpässe sind zur Zeit noch die Stör- und die Betriebssicherheit.
Man hört noch Nebengeräusche?
Nein, als Teilnehmer hört man nichts. Aber da werden Frequenzen benutzt, die möglicherweise andere Teilnehmer stören können. Zum Beispiel kann es passieren, daß das Fernsehen gestört wird. Aber auch wir werden in einem Jahr einsatzbereit sein.
Die RWE wird also nicht qua Durchleitung durch den Bremer Stadtstrom in Konkurrenz zu Nordkom und Telekom treten?
Nein. Die Kabel gehören uns – sprich: meiner Mutter, den Stadtwerken – und zweitens braucht man sowieso eine Telefonlizenz. Das Durchleitungsgesetz für die Energieversorgung gilt ja nicht für die Telefonie.
Warum legen Sie denn dann noch Ihre ganzen Glasfaserleitungen in die Erde und werben mit Ihrem eigenen Leitungsnetz? Das ist dann doch kalter Kaffee.
Wir müssen das differenzieren. Es gibt mehrere verschiedene Übertragungswege, die verschiedenen Anforderungen genügen müssen, und die parallel entwickelt werden müssen: Das reicht vom Stromkabel bis zum Funk. Zum Privatkunden mieten wir den letzten Kilometer heute noch bei der Telekom. Dann gibt es die Alternative Kabel-TV ...
... könnten das auch durchs Stromkabel?
Nein. Das geht nicht. Das ist zu breitbandig. Die Stromkabel sind durch ihre Bandbreite begrenzt. Damit könnte man höchstens ein Standbild von ordentlicher Qualität bekommen. Viele Teilnehmer mit unterschiedlichen Programmen kann man damit nicht versorgen. Und sehr komplexe grafische Sachen oder Videokonferenzen kann man mit den dünnen Stromleitungen auch nicht übertragen.
Sind Telefonleitungen schneller?
Nein. ISDN könnten Sie über die Powerline auch fahren.
Wird denn die Powerline zu spürbaren Preissenkungen im Ortsnetz führen? Wenn sie in einem Jahr eingeführt werden sollte?
Das wird sich noch im Laufe dieses Jahres zeigen. Noch wissen wir nicht, ob man mit den Kosten richtig runter kommt. Gibt's noch andere Vorteile? Kann man dann sein Telefon in jede Steckdose stecken?
Ja.
Was denn noch?
Zusätzlich zur Sprachübertragung kann über die Powerline beispielsweise Gebäudemanagement betrieben werden.
Was heißt das für den einzelnen Haushalt?
Sie können den Herd dann beispielsweise von auswärts an- und ausmachen und Sie können Ihre Wohnung überwachen: Sind die Türen, die Fenster zu – das wird dann alles billig und funktioniert so ähnlich wie übers Babyphone.
Fragen: Fritz v. Klinggräff
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