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■ Wie alles begann: Streik an der Freiburger UniGut koordinierte Aktionsgruppen

Am vergangenen Dienstag war es saukalt draußen, und irgendeine Trulla, die ich im Leben vorher noch nie gesehen hatte, outete sich als „Ex-Asta-Mitgliedin“ und fragte ungefähr 20 Minuten lang durch ein Mikrofon, ob man sie denn auch „hinten“ hören könne. Ich stand hinten. Und wahrscheinlich hätte ich sie auch gehört, wenn nicht jeder um mich herum „Hä?“ und „Lautääär!“ gebrüllt hätte.

Irgendwann fragte die Trulla dann, ob man nicht vielleicht auch streiken wolle, obwohl man sie nicht höre, und dann klatschten alle und streckten blaugefrorene Finger hoch, und dann war Streik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. So einfach kann's gehn.

Da sage noch einer den Pädagogen nach, sie müßten erst immer alles in Stuhlkreisen ausdiskutieren. Das müssen sie nämlich gar nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie aus gutem Grund nur auf solch eine Gelegenheit gewartet haben. Dann kamen ganz viele Leute in Wollpullis ans Mikrofon und sagten, daß man jetzt aber hurtig ganz viele „Aktionsgruppen“ bilden müsse, weil ein Streik ohne Aktionsgruppen ja doof sei. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt am Boden festgefroren und fühlte mich deswegen außerstande, eine „Aktionsgruppe“ zu gründen. Das machten dann andere Studenten, die weniger kälteempfindlich waren. Als sich ungefähr 800 Aktionsgruppen gegründet hatten, war es nachmittags um vier, und die frisch gegründete „Aktions-Koordinierungs-Aktionsgruppe“ ließ uns wissen, daß wir die anderen Aktionsgruppen gefälligst so koordinieren müßten, daß es nur noch 25 wären, sonst würde ja keine Sau mehr durchblicken. Dem stimmte ich zu. Und dann ging alles ganz schnell, und ich war plötzlich Mitglied der Aktion „Öffentlichkeitsarbeit“ und schickte so lange Faxe mit „unseren Forderungen“ in die Welt hinaus, bis jemand von der Regionalpresse anrief und sagte, ihn würden immer nur leere Blätter erreichen, und ich müsse unsere Forderungen wohl doch eher mit der beschriebenen Seite nach unten ins Faxgerät einlegen. Das war dann peinlich.

Aber nun ist unsere Generation eben einmal nicht sonderlich streikerfahren, und Fehler sind ja schließlich da, um aus ihnen zu lernen, wie der PH-Student weiß. Denn schließlich werden an der PH ja Lehrer herangebildet, die den kleinen Kevins und Anna-Lenas der Zukunft beibringen sollen, daß es nicht gut ist, wenn sie die sechste Stunde schwänzen, nur weil die dritte, vierte und fünfte mal wieder wegen Lehrermangel ausgefallen sind. Wir PH-Studis wissen schließlich, wovon wir sprechen. Und in dem Moment, in dem ich das schreibe, tobt draußen die Demo, fliegen die Flugblätter, rollen die Telefonlawinen, überschwemmen autonome Seminare die Innenstadt und solidarisieren sich Schulen, Lehrer und Schüler mit uns, als gebe es sonst nichts Gutes in Freiburg. Manchmal muß man halt erst lernen, wie man streikt. Das ist wie beim Radfahren, höhö!

Au, gerade sagt mir mein Kollege, daß ich jetzt aber doch zumindest im vorletzten Absatz dieses Textes noch schnell einen wichtigen Streikgrund unterbringen sollte. Und da ist er auch schon:

„Es ist eine Frechheit, den Studenten ,Faulheit‘ zu unterstellen und ,unmotiviertes Langzeitstudieren‘ mit 1.000 Mark Strafgebühren zu ahnden, wenn die Seminare, die besucht werden, sollen, wollen und müssen erst gar nicht angeboten werden! Wir fordern eine adäquate Ausbildung!“

So! Haha! Das hier ist zwar mein erster Streik, und draußen ist es immer noch kalt, aber so langsam lern' ich dazu. Und wenn es sein muß, mach' ich weiter bis Weihnachten. Dann bin ich perfekt! Frank M. Ziegler (Aktionsgruppe

Streik-Öffentlichkeitsarbeit der

PH-Freiburg)

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