Wie Greenpeace mit Vitaminen

Millionen Menschen sagen angeblich „Danke, Dr. Rath“ – der Geschäftsmann wirbt in bundesweiter Plakatkampagne. Seine Vitaminpräparate sind höchst umstritten

BERLIN taz ■ Es muss ein schönes Gefühl sein, wenn Millionen Menschen einem danken. Der dicke Mann mit den buschigen Augenbrauen muss sich das auch gedacht haben. Er hat viel Geld für Anzeigen ausgegeben. Jetzt guckt er einen überall an. Auf Plakatwänden in 23 Städten steht sein Eigenlob „Millionen Menschen sagen ,Danke Dr. Rath‘“. Wer ist Dr. Rath? Im Kleingedruckten des Plakats steht Dr. Rath „ verhinderte die Pläne des Pharma-Kartells, Vitamintherapie und andere Naturheilverfahren weltweit zu verbieten“.

Das klingt gut. Auf der angegebenen Internetadresse www.drrath.de ist alles auf den Doktor zugeschitten. Man kann Videos herunterladen mit Reden, die Dr. Rath im Berliner Hotel Estrel gehalten hat. Außerdem kann man „Berater“ werden oder hochdosierte Vitamin- und Mineralstoffpräparate zu 45 bis 70 Mark pro Monatspackung bestellen. Unter dem Kapitel Erfahrungsberichte sagt eine an Parkinson erkrankte Frau: „Seit 30 Jahren schlucke ich Tabletten, und nichts hilft. Plötzlich kommt meine Tochter und gibt mir zwei kleine Wunderpillen, und mir geht es gut“.

Recht verschwörungstheoretisch wirken die Rubriken „Organisiertes Verbrechen – Die Mafia mitten unter uns“. Hier wettert Dr. Rath gegen das „Pharma-Kartell“. Vor den „Danke“-Plakaten hat Dr. Rath sehr viel Geld für die „Stoppt das Pharma-Kartell“-Kampagne ausgegeben.

Matthias Rath ist 45 Jahre alt, hat am Deutschen Herzzentrum in Berlin gearbeitet und am Institut des US-Nobelpreisträgers und Vitaminfans Linus Pauling geforscht. Von Holland aus verkauft er heute umstrittene Vitaminpräparate, die Bluthochdruck, Herzinfarkt, Krebs und manch andere schwere Krankheit heilen sollen. „Wir verstehen uns in der gesundheitlichen Aufklärung wie Greenpeace im Umweltschutz“, sagte sein Sprecher der Nachrichtenagentur ADN.

Im Juni hat in Berlin die Kommission der Vereinten Nationen Codex Alimentarius getagt, um weltweite Standards dafür festzulegen, welche Stoffe Nahrungsmittel enthalten dürfen. Bezüglich der Konferenz scheut Rath auf seiner Homepage nicht vor Vergleichen mit dem Dritten Reich zurück: „Damals wie heute stehen Gesundheit und Leben von Millionen Menschen auf dem Spiel. Damals waren es 6 Millionen Juden, derenTod mit den Beschlüssen der Wannsee-Konferenz besiegelt wurde. Auch die geplante Codex-Konferenz im Juni diesen Jahres hat – falls sich das Pharma-Kartell mit seinen menschenverachtenden Plänen durchsetzt – den vermeidbaren Tod von Millionen Menschen zur Folge.“ Dementsprechend protestierten mehrere tausend Anhänger Raths dagegen, Vitaminpräparate weltweit als Arzneimittel einzustufen.

Rath muss seine hoch dosierten Mittel von Holland aus per Internet und mit Hilfe von Kettenbriefen verkaufen, da sie in Deutschland schon als Arzneimittel gelten und zugelassen werden müssten – wofür Rath aber der Beweis fehlt, dass seine Präparate wirken. Immerhin soll Rath laut dem Südwestdeutschen Rundfunk jährlich 200 Millionen Mark umsetzen.

Raths Vitamintherapie ist unter Medizinern heftig umstritten. „Dafür, dass die Vitamine wirken, gibt es keinen Beweis und keinen Gegenbeweis“, sagt Raths ehemaliger Kollege im Herzzentrum, Privatdozent Manfred Hummel. Hans Konrad Biesalski, Biochemiker an der Universität Stuttgart-Hohenheim sieht das ähnlich: „Es stimmt, dass Vitamin C vor freien Radikalen im Körper schützt. Die ideale Dosis dürfte bei 200 Milligramm pro Tag liegen. Aber es gibt keine Beweise, dass 600 Milligramm und mehr, wie sie Rath anbietet, zusätzlichen Nutzen haben.“

Der Leiter des Bundesamtes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) und Vorsitzender des Codex Alimentarius, Rolf Gossklaus, hält die Präparate sogar für gefährlich. „Die Leute könnten meinen, sie bräuchten nicht mehr zum Arzt zu gehen“.

Auch Staatsanwaltschaften und Gerichte beschäftigen sich mit Dr. Raths Vitamintherapie: Beim Landgericht Berlin sind drei Verfahren anhängig, weil Rath gegen das Arzneimittelrecht verstoßen soll.

KIRSTEN KÜPPERS