Wie China Reporter vor Olympia gängelt: Babyschritte in die Freiheit
Vor den Olympischen Spielen verschärft China die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten. Betroffene hoffen auf eine Öffnung des Landes nach dem Event.
Aus dem südchinesischen Xiamen gingen im vergangenen Jahr ungewöhnliche Bilder um die Welt: Tausende Demonstranten hatten sich versammelt, um gegen den Bau einer Chemiefabrik zu protestieren. Äußerst fantasievoll umgingen die Organisatoren die chinesischen Zensoren: Statt zur Demo riefen sie zum "Spaziergang" auf.
Beispiele wie dieses dienten Zhu Yi kürzlich auf einer Konferenz der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung als Illustration dafür, wie viel sich in puncto Medienfreiheit in China in den letzten Jahren geändert hat. Die Projektmanagerin der Stiftung macht dafür vor allem den technischen Fortschritt verantwortlich. Die Zentralregierung sei sich des Drucks sehr bewusst, den das Nachrichtentempo und eine zunehmend selbstbewusste Mittelschicht ausüben können, sagt Zhu. So habe der Rechenschaftsbericht der KP zu ihrem 17. Parteitag erstmals den Begriff "Bürgerbewusstsein" enthalten.
Zhan Jiang, Dekan des Journalistik-Instituts der Pekinger Jugend-Universität für politische Wissenschaften, bringt es auf eine kurze Formel: Im Ausland sehe man vor allem die Probleme, die China jetzt habe. "Wir aber sehen die Probleme, die wir jetzt nicht mehr haben."
Noch nie stand die neue Weltmacht China so im Rampenlicht wie als Olympiagastgeber. "Eine Welt, ein Traum" heißt das Motto. Journalisten sollten freier berichten dürfen, versprach die Pekinger Regierung. Viele westliche Berichterstatter zeigten sich zunächst hoffnungsvoll: Die Bewegungsfreiheit für ausländische Journalisten in den Provinzen wurde erleichtert. Doch je näher die Spiele rücken, umso straffer scheint Peking die Zügel wieder anzuziehen.
Als sie sich wegen der blutigen Niederschlagung der Unruhen in Tibet weltweiten Protesten gegenübersah, reagierte die kommunistische Führung mit einer Nachrichtenblockade. Zwei deutsche Journalisten - Georg Blume (taz, Zeit) und Kristin Kupfer (Profil) - wurden aus der Provinz ausgewiesen. Internetseiten mit Bildern der Unruhen wurden gesperrt. In Peking erging man sich in Schimpftiraden gegen westliche Medien.
Bei diesen wiederum schienen ebenfalls oft die Hardliner zu siegen. "Die westliche Berichterstattung über China, die auf einmal wieder im Sprachstil wie zu Maos Zeiten daherkam, hat uns sehr besorgt", sagt der Medienwissenschaftler Zhan.
Die Nervosität der chinesischen Regierung nach den Tibet-Unruhen und vor dem olympischen Großereignis habe die seit letztem Jahr verbesserten Arbeitsbedingungen für Journalisten wieder verschlechtert, meint Harald Maass, Chinakorrespondent der Frankfurter Rundschau: "Es ist zu hoffen, dass sich nach Olympia der wenn auch langsame Trend der Öffnung des Landes für Auslandskorrespondenten fortsetzt."
Für einheimische Reporter und Blogger hatte die Öffnung ohnehin nicht in gleichem Maße gegolten. Hu Jia, einer der bekanntesten Menschenrechtler Chinas, wurde im April wegen seiner kritischen Blogs zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt - ein hartes Urteil. "Gerade in diesem Jahr will die KP nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass sie liberaler geworden ist", glaubt Georg Blume. Er rechnet eher für die Zeit nach den Olympischen Spielen als davor mit einer weiteren Öffnung in Sachen Pressefreiheit.
Seit Neuestem müssen ausländische Journalisten, die sich für die Olympischen Spiele akkreditieren oder ein Visum beantragen wollen, detaillierte Recherchepläne mit Interviewdatum, Gesprächspartnern und Themen vorweisen. Seit Jahresbeginn müssen sich außerdem alle chinesischen Staatsbürger, die mit der ausländischen Presse zusammenarbeiten, registrieren lassen. "Jegliche Hoffnung, dass China sich vor den Olympischen Spielen öffnet, schwindet zusehends", kommentiert die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen diese Praxis.
"Das Entscheidende ist doch, dass wir uns heute frei bewegen und mit allen Leuten sprechen können", widerspricht Georg Blume. "Daran ändern auch neue bürokratischen Spielchen nichts." Blume, der seit 11 Jahren in China arbeitet, rät Kollegen, die das Land jetzt bereisen, ihre Freiheit auszutesten. Es müsse schließlich keiner die Wahrheit auf die Antragsbögen schreiben. "Verhaftet wurde im Vorfeld der Spiele noch niemand", sagt Blume, der bei seinen Recherchen schon dreimal in Polizeigewahrsam genommen wurde.
Auch wenn die Partei nach wie vor das Tempo der Öffnung bestimmt, hat sich die Arbeit für chinesische Journalisten enorm gewandelt. Etwa 300 Millionen Landsleute nutzen das Internet, Blogs sind ein immer weiter verbreitetes Kommunikationsmittel, das auch 30.000 Internetpolizisten nicht gänzlich kontrollieren können. Vom Erdbeben in Sichuan erfuhren die Chinesen im Internet 10 Minuten früher als über die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Peking ließ die Journalisten im Katastrophengebiet in einer bis dahin ungekannten Weise gewähren. Die Situation des Journalismus in China sei zu komplex für simple Vorurteile, sagt Medienwissenschaftler Zhan. Und dass er sich freut auf die 30.000 ausländischen Journalisten, die zu den Spielen nach Peking kommen. "Das bietet uns die Chance, eure Arbeitsweise besser kennenzulernen."
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