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Archiv-Artikel

Widerstand bis zum Tod

Besetzer der Roten Moschee in Pakistans Hauptstadt Islamabad rufen zur islamischen Revolution auf. Der Druck auf die Regierung Musharraf wächst, die Belagerung jetzt auch mit Gewalt zu beenden

ISLAMABAD afp ■ Am sechsten Tag der Belagerung der Roten Moschee in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad haben sich die Anzeichen auf eine blutige Erstürmung verdichtet. Nach Geheimdiensthinweisen auf Al-Qaida-Anhänger unter den Islamisten in der Moschee und dem Tod eines Eliteoffiziers erhöhte sich am Sonntag der Druck auf die pakistanische Regierung, die Belagerung zu beenden.

Die zum Tod entschlossenen Moschee-Besetzer würden von einer Al-Qaida-nahen Gruppe gelenkt, sagte ein Sicherheitsvertreter unter Berufung auf abgehörte Gespräche. Zwei Anführer der Harkatul-Dschihad-i-Islami (Bewegung des heiligen islamischen Krieges) hätten in der Moschee „die Kontrolle übernommen und steuern den fanatischen Widerstand“. Die Gruppe sei 2002 an der Enthauptung des US-Journalisten Daniel Pearl in Karatschi und ein Jahr später an einem Attentatsversuch auf Präsident Pervez Musharraf beteiligt gewesen. Die Harkatul-Dschihad-i-Islami ist in Pakistan verboten. Sie wird beschuldigt, nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan Ende 2001 Verstecke für Al-Qaida-Mitglieder organisiert zu haben. Ihr Anführer, Amjad Faruki, soll außerdem den Al-Qaida-Chefplaner Chalid Scheich Mohammed zur Enthauptung Pearls gefahren haben. Mohammed hatte dies bei einem US-Verhör ausgesagt.

Nach der Trauerzeremonie für den in der Nacht zum Sonntag bei einem Einsatz an der Moschee getöteten Eliteoffizier berieten Musharraf und sein Regierungschef Shaukat Aziz am Telefon über die Lage. „Sie haben darüber gesprochen, wie die Krise schnell zu Ende gebracht werden kann, inklusive eine Erstürmung“, sagte ein eingeweihter ranghoher Regierungsvertreter. Ganz gleich, welche Entscheidung die Regierung auch treffe, sie sei in einer „verdammten“ Lage. Informationsminister Tarik Azeem sagte, angesichts des getöteten Offiziers und des offenbar von „bestens trainierten Militanten“ in der Moschee angeführten Widerstands müsse die Regierung „ihre Strategie überdenken“. Musharraf hatte am Samstag eine Zuspitzung der Lage in Kauf genommen, als er den Moschee-Besetzern nur die Wahl zwischen Tod oder Aufgabe gelassen hatte.

Die Islamisten in der Roten Moschee ließen bislang keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, bis zum Tod Widerstand leisten zu wollen. In seinem Testament, dass ein Ghazi-Mitstreiter in der Moschee der AFP auszugsweise am Telefon übermittelte, rief er die Koranschulen anderer Moscheen zur islamischen Revolution auf. „Unser Blut wird nicht umsonst vergossen werden“, hieß es in dem Testament. „Es wird die islamische Revolution in dieses Land tragen.“ Die radikalen Koranschüler fordern unter anderem nach dem Vorbild der Taliban die Einführung der Scharia, der islamischen Rechtsprechung, in Pakistan.

Mit dem Tod des Offiziers erhöhte sich die Zahl der bislang bei Kämpfen an der Moschee getöteten Menschen nach offiziellen Angaben auf 24. Dagegen sprechen die Besetzer von rund 350 Toten auf dem Gelände der Moschee. Minister Azeem bezeichnete diese Angaben als „lachhaft“.

Wie AFP von einem anonymen Anrufer aus der Moschee erfuhr, traten zwölf Koranschülerinnen am Sonntag in den Hungerstreik, um ihre Forderung durchzusetzen, die Moschee verlassen zu dürfen. In der Moschee befinden sich noch hunderte Koranschüler, darunter Frauen und Kinder. Die Regierung wirft den Islamisten vor, sie als Schutzschilde zu missbrauchen, und schreckte deshalb vor einer Erstürmung bislang zurück. Stattdessen sprengten die Sicherheitskräfte weitere Löcher in die Mauer um das Gelände, um Fluchtwilligen einen Ausweg zu eröffnen. Am Samstag stürmte die Polizei eine nahe gelegene Koranschule und nahm Dutzende Schüler fest.