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Widerständler über Lage in Honduras"Die Militärs sind eine reale Macht"

Starke soziale Bewegungen ermöglichen in Honduras, dem Putsch schon seit 25 Tagen Widerstand entgegenzusetzen. Eine Rückkehr des Präsidenten Zelayas wird wieder wahrscheinlicher.

"Dank den Indigenen, den Bauern und den Arbeitern können wir Widerstand leisten." Bild: reuters
Interview von Leo Gabriel

taz: Wird der durch den Putsch gestürzte Präsident Manuel Zelaya zurückkehren?

Rafael Alegría: Er ist auf dem Weg zur Grenze. Viele begleiten ihn, und viele wollen ihn empfangen. Alles Weitere hängt nicht mehr von uns ab, sondern von den Militärs und dem Putschpräsidenten Roberto Micheletti. Die haben Waffen, Panzer und Streitkräfte, die wir nicht konfrontieren wollen. Wir haben genug Kräfte, um Zelaya zu ermöglichen in unser Land einzureisen, durchzumarschieren und die Institutionen zu übernehmen.

Welche Rolle spielen jetzt die Militärs in Honduras?

Laut Verfassung unterstehen sie dem Präsidenten und habe keine politische Entscheidungsbefugnis. Aber das ist nicht wahr. Die Militärs sind seit langem eine reale Macht. So obliegt der Schutz der Verfassung nicht dem Verfassungsgericht, sondern den Streitkräften. Und das garantieren sie in der Form, dass sie in periodischen Abständen putschen. Zudem sind die Militärs eine Unternehmerklasse geworden.

RAFAEL ALEGRIA

Rafael Alegría war der langjährige Präsident der internationalen Kleinbauern- und Landarbeiterorganisation Via Campesina und ist einer der Führer der Widerstandsbewegung gegen den Putsch vom 28. Juni in Honduras. Alegría war zuvor Berater des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya.

Rückkehrer:

Honduras abgesetzter Präsident Manuel Zelaya hat am Donnerstag vom nicaraguanischen Manugua aus den zweiten Rückkehrversuch in seine Heimat gestartet. Er will wohl Samstag die Grenze überqueren. Die Interimsregierung droht mit Festnahme und verhängte ein nächtliches Ausgehverbot. (ap)

Honduras hat nie eine große Volksbewegung gehabt und anders als El Salvador, Guatemala und Nicaragua auch keine starke Guerilla. Wieso nehmen es die sozialen Bewegungen trotzdem mit dem Militärapparat auf?

Es stimmt, wir hatten nie eine starke Guerilla. Aber starke soziale Bewegungen ermöglichen uns jetzt, dem Putsch schon seit 25 Tagen Widerstand entgegenzusetzen. Dank der Organisationen der Indigenen, der Bauern, der Arbeiter und des Volkes können wir Widerstand leisten bis Zelaya zurückkehrt.

Warum werden die Ziele der Volksbewegung wie etwa der Kampf der Bauern um die Agrarreform jetzt so stark mit der Figur Zelayas verbunden?

Für uns war die Wende entscheidend, die Zelaya vor zwei Jahren vollzog. Er kommt ja aus dem bürgerlichen Lager, identifizierte sich aber mit vielen dynamischen Projekten wie Alba (Alianza Bolivariana para las Américas: lateinamerikanisches Integrationsprojekt unter der Führung Venezuelas, Anm. d. Red.), trat für gerechtere Mindestlöhne und bäuerliche Landrechte ein und erlaubte keine weiteren Privatisierungen. Das alles störte die Oligarchie, die begann, die Militärs von der "kommunistischen Gefahr" zu überzeugen.

Besteht nicht die Gefahr eines Rückschlag, wenn Zelayas Rückkehr nicht gelingt?

Nein. Selbst wenn Zelaya zurückkehrt, blieben nur vier Monate, in denen er im Amt wäre. Wir wollen faire Wahlen erreichen, die es ohne seine Rückkehr nicht gibt. Nur er kann den Institutionen die Legitimität zurückgeben, die sie jetzt verloren haben. Wir wollen eine politische Front mit unabhängigen Kandidaten aufbauen. Damit wollen wir die beiden traditionellen Parteien konfrontieren, die den Putsch unterstützen.

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4 Kommentare

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  • MS
    Miguel S.

    Dumm nur, dass der "Putsch" keiner war, sondern Militär und Judikative per Verfassung dazu berechtig sind den ehemaligen Präsidenten daran zu hindern sein gegen die Verfassung verstoßendes Referendum durchzuführen.

    Ich wünschte vor 76 Jahren hätten deutsche Militärs und Richter dem (national-)sozialistischen Oberbefehlshaber die Gefolgschaft verweigert und ihn, auf diesselbe Weise wie heute in Honduras, daran gehindert sich zum Diktator aufzuschwingen.

  • UH
    Udo Henn

    Nach den mir bekannten Augenzeugenberichten gibt es keinen nennenswerten Widerstand in Honduras, im Gegenteil, die wenigen Demonstrationen richten sich gegen Zelaya und Chavez. Es kann ja auch kein vernuenftiger Mensch die Wiedereinsetzung Zelayas fordern, der dabei war, sein Land herunterzuwirtschaften, so wie es Castro mit Kuba gemacht hat und wie Chavez in Venezuela gerade dabei ist.

  • S
    schnipp-schnapp

    Ich wünschte nur, dass die taz - wie auch alle anderen deutschen Medien - die Putschisten in Honduras auf genau dieselbe Art und Weise akribisch beobachten würden, wie das im Fall des Iran geschieht.

     

    Woran mag es bloss liegen, dass die Demokratie und die Menschenrechte in Honduras weniger von Belang sind wie im Iran?

     

    Immerhin hätte ein erfolgreicher Putsch für die Region sicher nicht viel weniger Signalwirkung, wie ein Regimewechsel im Iran.

  • M
    marina

    "(...) Er kommt ja aus dem bürgerlichen Lager, identifizierte sich aber mit vielen dynamischen Projekten wie Alba (Alianza Bolivariana para las Américas: lateinamerikanisches Integrationsprojekt unter der Führung Venezuelas, Anm. d. Red.), trat für gerechtere Mindestlöhne und bäuerliche Landrechte ein und erlaubte keine weiteren Privatisierungen. Das alles störte die Oligarchie, die begann, die Militärs von der "kommunistischen Gefahr" zu überzeugen. (...)"

     

    Sehr gute Zusammenfassung der Hintergründe!

    Überhaupt ein guter Artikel.