: Wider die Du-darfst-Nation
■ Erneut im Einsatz: „Nachtschwester Kroymann“, die Pionierin des Menstruationswitzes (So., 22.30 Uhr, ARD)
Die einen haben ihre Traditionen. Und die anderen haben auch deren Traditionen. „Männer“ heißen die einen. Und die Traditionen heißen beispielsweise „Humortradition“. „Frauen“ erscheinen darin entweder als mißgünstige Nudelholzmatronen oder als Blondinenwitze. Nein, vom vielgeschmähten heimischen Humor ist, solange es noch Stammtische und Frühstückspausen gibt, nicht viel zu halten. Und längst ist für die lachende Nation der televisionäre Lach- und Lustigkeitsoutput zu dem geworden, was der Duden nicht mehr ist: im Zweifelsfalle maßgebend.
Polenwitze beispielsweise sind so ein Zweifelsfall. Und der Menstruationswitz? Maren Kroymann, die ab Sonntag wieder einmal monatlich in ihren „Nachtschwester“- Shows zu besichtigen sein wird, nimmt für sich zwar nicht in Anspruch, den Menstruationswitz erfunden zu haben; doch liegt ihre Pioniertat fraglos darin, daß sie ihn der Fernsehöffentlichkeit zu präsentieren wußte: „... Neulich, da hatte isch doch so 'ne häßliche Zystengeschichte. Also, isch hab' geblutet wie ein Schwein! Aber die ,Super plus‘, die hat geholfen, die is' escht Bombe! Also, die Leute, wo sisch diese Binde ausgedacht haben, die haben sisch escht was ausgedacht.“ Wer kann darüber schon lachen? Nicht einmal alle Frauen, sagt Kroymann. Sollte man aber können. Wo doch inzwischen über die Polenwitze schon so viele lachen. Und wo die Harald Schmidtsche Political Incorrectness sogar Kultgläubige mit gewohnt urteilssicheren Meta-Ironikern verbrüdert, weiß „Nachtschwester Kroymann“ noch immer zu polarisieren.
Ob Nina Ruges „Vulvamund“, Claudia Noltes Ehevergewaltigungs-Paragraphen, Christiane Herzogs „Mu-mukoviszidose“- Promotion oder auch einfach nur Uschi Glas und Claudia Schiffer – die „Nachtschwester“liche Comedy verschont nichts und niemanden; auch und vor allem nicht, was das neue, selbstbewußt-postfeministische Frauenzeitschriftenfrauenbild an perfidem Backlash feilzubieten hat. (Und ein Kroymann-Satz wie „Ich hab' nicht nur einen schönen Körper, ich hab' auch 'nen eigenen Kopf“ will von einer Du-darfst-Nation schließlich erst einmal als satirische Bösartigkeit erkannt werden.)
Maren Kroymann wüßte jedenfalls nicht, worüber man keine (in-)korrekten Witze machen könnte. ARD-Programmdirektoren schon. Im steten Ringen mit senderinternen Selbstzensurvorgaben (und gemeinsam mit Co- Autor Hans Zippert) gelingt der bekennenden Feministin Kroymann ebenso wie der scharfsichtigen Parodistin Kroymann dennoch manch postkabarettistisches Kleinod. Und das ist dann in seiner scheinbaren Absichtslosigkeit verblüffend provokant, erstaunlich leicht und zeitgemäß – und von seltener Komik. Was macht es da schon, daß nicht jede einzelne Pointe sitzt wie ein Pessar? Christoph Schultheis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen