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„Wider den Zwang“

■ Waschen, putzen, ordnen: Kongreß widmet sich zwanghaften Störungen

Am Anfang steht ein kleiner Tick. Die Frau, die stets noch einmal zurückläuft, um zu prüfen, ob die Haustür auch wirklich verschlossen ist. Der Mann, der jeden Morgen eine Stunde das Bad blockiert. Ganz normale Verhaltensweisen – solange sie in ihrer Intensität nicht kraß von der Norm abweichen. Wenn eine Frau nicht mehr bei ihrer Arbeitsstelle ankommt, weil die Kontrolle der Haustür sie daran hindert, sprechen Psychiater nicht mehr von einer Marotte, sondern von Zwangsstörung. Die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen veranstaltet seit gestern in Hamburg ihren Internationalen Kongreß „Wider den Zwang“.

Bei der Eröffnung forderte Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) dazu auf, Zwangserkrankungen ins öffentliche Bewußtsein zu rücken. Es gelte, die Gitter des eigenen inneren Gefängnisses aufzubrechen. Dies sei eine „psychische Ochsentour“. Runde erinnerte an den Fall einer Frau in Hamburg, die jahrelang in ihrer Wohnung zwanghaft Altpapier, Flaschen und anderen Abfall sammelte. Erst als sie starb, habe man ihr Zwangsverhalten bemerkt. Das zeige, wie wichtig es sei, die Krankheit „aus der verschämten Ecke“ herauszuholen.

Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden im Laufe ihres Lebens an einer Zwangserkrankung, sagt der Hamburger Professor Iver Hand, wissenschaftlicher Leiter des Kongresses. Zu Zwangshandlungen zählen Waschen, Reinigen, Kontrollieren, Ordnen, Symmetrie herstellen, aber auch Zählen und Sprechen. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt: Eine erbliche Veranlagung gilt als Voraussetzung, eine besonders strenge Erziehung kann die Krankheit begünstigen. Letzte Auslöser sind fast immer Krisensituationen.

Weniger als fünf Prozent trauen sich mit ihrem Problem zum Arzt. Selbst wenn der Waschzwang so weit gediehen ist, daß der Betroffene zehn Stunden täglich ausgedehnten Duschritualen frönt, bleiben die meisten aus Scham zu Hause. Dabei gibt es seit etwa 20 Jahren therapeutische Behandlungsformen. Allerdings liegt die Erfolgsquote nur bei 50 bis 75 Prozent. Die wichtigste Ursache für Mißerfolge liegt nach Hand in dem Mißtrauen der Patienten selbst. Viele wollten ihre Krankheit heimlich leben. „Wir müssen erreichen, daß die Krankheit genauso akzeptiert wird wie ein Magengeschwür.“ hh/lno

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