: Wichtigstes Indiz angezweifelt
■ Gericht hielt die einzigen Äußerungen von Wolf zum Tod seiner Familie für verwertbar
Kurz vor der Mittagspause versuchte die Verteidigung, die Anklage gegen Carsten Wolf, der beschuldigt wird, im November des vergangenen Jahres seine Frau und seine beiden Kinder getötet zu haben, auf tönerne Füße zu stellen. Der Anwalt des Angeklagten hatte in der gestrigen Verhandlung vor dem Landgericht schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Die Beamten hätten Wolf mit „verbotenen Vernehmungsmethoden getäuscht“. Die Aktennotiz über das Gespräch, in dem Wolf den späteren Fundort der Kinderleichen preisgegeben hatte, könne nicht verwertet werden, weil sein Mandant nicht ausreichend darüber aufgeklärt worden sei, daß er sich mit diesen Angaben belasten könnte.
Nach einer einstündigen Beratung lehnte das Gericht den Antrag der Verteidigung als unbegründet ab. Ein Grund zur Erleichterung für die Staatsanwaltschaft: Wolf schweigt bis heute zu den Vorwürfen. Eines der wichtigsten Indizien, auf die sich die Anklage wegen Totschlags stützt, ist das Gespräch, das zwei Kripobeamte am 8. Dezember mit Carsten Wolf in der Untersuchungshaft geführt haben. Einen Tag später sollte Silke Wolf beerdigt werden. Ihre verkohlte Leiche war am 26. November in einem Waldstück bei Zeven gefunden worden. „Ich habe ihm gesagt, daß morgen seine Frau beerdigt würde und ihn gefragt, was mit den Kindern sei“, sagte einer der Kripobeamten gestern vor Gericht aus. Durch Kopfschütteln und Nicken soll Wolf schließlich den späteren Fundort der Kinder preisgegeben haben, gab der Polizist an und rekonstruierte das „Frage-und-Antwort-Spiel“: „Können wir die Kinder finden?“ Wolf soll mit dem Kopf genickt haben. „Können wir sie lebend finden?“ Nach Angaben des Beamten schüttelte Wolf den Kopf. „Finden wir die Kinder in Bremen?“ Kopfschütteln. „Im Umland?“ Kopfschütteln. Schließlich soll Wolf gesagt haben, daß die Kinder in einer Aluminium-Kiste in der Nähe der Hamburger Straße in einem Kanal versenkt seien. Auf dem Stadtplan soll er den Beamten die Stelle gezeigt haben. Ferner habe Wolf angegeben, daß er Steine in die Kiste gelegt habe, um sie zu beschweren. Er habe die Kiste unweit vom Ufer versenkt. „Ist das ganze denn in Bremen in ihrem Haus passiert“, will der Polizist Wolf weiter gefragt haben. „Ja“, soll Wolf daraufhin geantwortet haben. Und: „Aber ihr wolltet doch nichts zum Tathergang fragen.“ Der zweite Kripobeamte, der bei dem Gespräch nur teilweise dabei gewesen sein soll, sagte aus, er habe Wolf außerdem gefragt, ob er denn jetzt erleichtert sei. „Noch nicht ganz“, habe Wolf daraufhin geantwortet. Wolf folgte den Ausführungen der Polizisten scheinbar ungerührt. Mit regungsloser Miene starrte er ins Leere.
So haben ihn auch die Kripobeamten bei der Vernehmung erlebt. „Er war äußerst konzentriert und beherrscht“, erinnerte sich ein Beamter. „Er hat uns nicht angesehen. Stattdessen konzentrierte er sich auf einen Fixpunkt und starrte da hin. Man hatte den Eindruck, daß er sich nur darauf konzentriert: Was ist das jetzt für eine Frage, und wie will ich sie beantworten.“ Die Nachricht vom Tod seiner Frau habe Wolf gefaßt aufgenommen. Nach seinen Kindern habe er nicht gefragt. Auch die Frage, ob er seine Frau identifizieren wolle, hätte Wolf „erstaunlich schnell“ bejaht.
Auch dem Beamten, der die Vermißtenanzeige bearbeitet hatte, war Wolfs mutmaßliche „Gefaßtheit“ aufgefallen. „Er verhielt sich atypisch für einen Menschen, der seine nächsten Angehörigen vermißt“, beschrieb der PolizistWolf. „Er war stoisch, ruhig, unbeteiligt und zeigte keine Emotionen.“ Gewundert habe er sich auch darüber, daß Wolf erst nach Aufforderung wieder zu Gesprächen in die Dienststelle gekommen sei. „Er hat nicht spontan gesagt, ich komme, sondern die Arbeit stand für ihn als Hinderungsgrund da“. Der Prozeß wird fortgesetzt. kes
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