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Who killed Bambi?

Berlins Burda-Bambi-Bambule: Zum 55. Mal wurde mit Rehkitzen auf unbewaffnete Semi-Promis geschmissen, diesmal sogar in ganz neuen, unerhörten Kategorien

Wie sich der Burda-Medienpreis, Bambi genannt, unbemerkt von der Öffentlichkeit in den letzten Jahren verändert hat, wie das Rehlein ein bisschen runder und güldener wurde, das konnte man gut sehen, als Thomas Gottschalk die ollen Trophäen, die er gerade in der Originalplastiktüte zurückbekommen hatte, gegen seinen niegelnagelneuen hielt.

Den größten Evolutionssprung aber hat der Promi an sich erlebt, seit man diesen Status nicht mehr unbedingt erwerben, sondern nur laut und oft und trotzig genug danach krähen, unschickliche Sachen tun oder die Körbchengröße gleich mit dem prominenten Lover wechseln muss.

So herrschte wahrer Herdenauftrieb bei der 53. Bambi-Verleihung in Berlin mit 1000 sogenannten oder selbst ernannten „Promis“, und auch die Rehkitze erlebten eine wundersame Vermehrung. Weil manche Preisträger in keine Kategorie passten, wurden kurzerhand noch einige zusätzliche geschnitzt. Goldlöckchen Gottschalk erhielt unter dem Applaus seines neuprominenten Bruders einen Sonderbambi, für was auch immer. Und Verona Feldbusch nahm den extra für sie geschaffenen Karriere-Bambi entgegen als „erstaunlichstes Phänomen der deutschen Medienlandschaft“ (was ein wenig despektierlich nach meteorologischer Sturmwarnung klingt). Sie hätte ihn auch verdient gehabt für ihr „eben noch mal schnell selbst zusammengenähtes Kleid“, während Jenny Elvers diesmal leer ausging. Dabei zerriss es einem fast das Herz, wie sie auch dies tapfer schluckte und mit fast schon Respekt fordernder Schmerzunempfindlichkeit ihre siegessichere Hoffnung aufs nächste Jahr in die Mikros quäkte.

Der Bambi für den chauvinistischsten Spruch des Abends aber ging an Ko-Moderatorin Enie van de Meiklokjes, die plaudernd kundtat, wie sehr sich doch Deutschlands Männer über die WM-Qualifizierung der Nationalelf gefreut hätten – da hat die Ostsozialisation, von wegen Gleichberechtigung und so, wohl nicht so richtig angeschlagen. Dafür tat sie Bunte-Chefin Patricia Riekel, die in furchteinflößender Entfremdung von der Realität den „Moulin Rouge“-Look als neuen Modetrend ausrief, als Einzige den Gefallen, mit buntem Federgebims auf dem Kopf rumzulaufen.

Wie dagegen ein echter Star auftritt, konnte man sich bei Catherine Deneuve abgucken, die im schwarzen Damensmoking über den roten Teppich schritt, während hinter ihr DFB-Boss MV ein wenig verloren darauf harrte, mit dem Kantersieg seiner Jungs zu pralen. Doch das ignorante Society-Reporter-Pack ignorierte ihn, bis er Mme. Deneuve mit gesenktem Kopf überholte. Denn merke: Die Maßeinheit für echten Promi-Status ist die Anzahl der Minuten, die man für eine 20 Meter lange Foto-Line benötigt. ANNETTE KILZER

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