What's hot, what's not: Glück macht angenehm
■ Anhaltend haushaltsfreundliche Stimmung bei der wohlgerundeten Barbra und Prozesse um kopflose Mickey Mouse: Geschmack in und um Hollywood herum
Einst, als der arme Kaiser Honecker noch regierte und sein Reich schön und rein war, las ich in einer der Reichszeitungen, daß der Großteil der amerikanischen Kinder nicht wüßte, daß Milch von Kühen stammt, sondern annehme, daß sie ähnlich wie Coca- Cola hergestellt würde.
Wie recht die Reichszeitungen damals mit ihrem Anprangern des manipulativen kapitalistischen Systems hatten, beweist mir dies hier: Das jüngste Kapitel der Endloskomödie „Aufrechte Bürger wider den Sittenverfall“ schreibt derzeit eine Kalifornierin. Davon überzeugt, daß ihre Enkel durch Walt Disney & Co traumatisiert wurden, zog sie in Orange County – pikanterweise die Heimat von Disneyland – vor den Kadi. Die Familie war 1995 auf dem Disneyland-Parkplatz überfallen und um 1.650 Dollar erleichtert worden. Die drei Enkel von Billie Jean Matay sind zwischen fünf und elf Jahre alt und hatten Grandma zufolge nicht verkraftet, daß sie nach dem Überfall zur Erholung in einen Backstage-Bereich verbracht wurden, wo sich die Schauspieler umziehen. Die Klage wurde bei Gericht zugelassen, obwohl Disney-Anwälte zu bedenken gaben, daß an einem Disney-Darsteller, der sein Disney-Cartoon-Kostüm ablegt, nichts Traumatisierendes sein könne. Der Anwalt der Familie argumentierte jedoch, daß es die Pflicht von Disneyland sei, Kinder vor emotionalem Distress zu schützen, insbesondere davor, Mickey Mouse ohne Mickey- Mouse-Kopf sehen zu müssen, wie es geschehen war. Gegenstand des Streits ist wohlgemerkt noch nicht, ob es die Pflicht Disneylands sei, seine Besucher vor Kriminalität zu schützen. Am 18. August wird verhandelt.
Warum mir der Fall so gefällt, fragen Sie? Weil mich ein Land, in dem die Justiz nach Kräften dazu beiträgt, daß Illusion und Realität sich nicht allein decken, sondern praktisch ununterscheidbar werden, an den Sozialismus erinnert und daher nicht ganz verloren sein kann. Die Amerikaner haben eins begriffen: Der größte Manipulator ist das dumme bunte Glück. Erhascht es sie, schweben Menschen bei Verrichtung entfremdeter Arbeit, wie es zum Beispiel das Eintüten von Zeitungen darstellt, selig durchs Büro. Böse Rede: Das Glück ist ein Ochse und sucht seinesgleichen. Im Gegenteil – Glück macht wohlgerundet (think: schwanger) und angenehm! Barbra Streisand zum Beispiel befindet sich durch ihre glückliche präeheliche Beziehung zu James Brolin in anhaltend haushaltsfreundlicher Stimmung. Streisands neue Nachbarn in La Jolla, California, geben vor zu wissen, daß der Star die Abendgarderobe eingemottet hat, statt auszugehen lieber ausgiebig kocht und dabei etliche Kilo zulegte.
Aber: Glück und Glas, wie leicht bricht daaaas! Der gerade von Gwyneth Paltrow („Emma“) verlassene Brad Pitt soll wie ein Zombie am Set von „Meet Joe Black“ umherschleichen – dürr und so abgehärmt vor Kummer, daß Co-Star Anthony Hopkins (reiß dich zusammen, Mann) einschreiten mußte. Brad, auch andere Mütter haben gar liebliche Töchter – oder Söhne! Und außerdem: Dusch mal wieder, du siehst immer so unappetitlich wasserscheu aus, findet Anke Westphal
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