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Wettrennen ums Öl

■ Zwei Ölgesellschaften rangeln darum, wer eine Pipeline durch Afghanistan bauen darf

Berlin (taz) – Der Wettlauf darum, wer die lukrativen Öl- und Gaspipelines durch Afghanistan bauen darf, geht in die nächste Runde. Dafür sorgte eine Kehrtwende beim bisherigen Favoriten United Oil of California (Unocal): Die 1.300 Kilometer lange Gas- und Ölleitung von Turkmenistan nach Pakistan wolle man erst bauen, wenn Afghanistan über eine „breit anerkannte Regierung“ verfüge. Vorher würden die internationalen Finanzinstitutionen keine Kredite dafür geben. Die Taliban werden bisher nur von Pakistan und Saudi-Arabien als rechtmäßige Regierung anerkannt.

Unocal hat sich bisher wenig um politische Feinheiten geschert. 1996 sorgte Firmenchef Chris Taggart für Aufsehen, als er die militärischen Erfolge der Taliban als „Schritt nach vorn“ begrüßte, aber kein Wort über deren Repressionspraxis verlor. Um sich den Zuschlag der Taliban zu sichern, lieferte ihnen Unocal als „humanitäre Hilfe“ zum Beispiel Faxgeräte und Stromgeneratoren und legte einen Entwicklungsplan für die Dörfer entlang der Pipeline vor. Im Dezember organisierte die Firma bei Verhandlungen in den USA für Taliban-Bergbauminister Mawlawi Ahmad Dschar und Begleiter eine Shopping-Tour. „So machen wir Business“, meint die Firmensprecherin.

Es geht um viel Geld bei der Erschließung der Öl- und Gasvorräte im ehemaligen sowjetischen Teil Mittelasiens und am Kaspischen Meer, die Branchenfachleute als weltweit letzte unerschlossene Vorkommen von Bedeutung bezeichnen. Für die Taliban sollen jährlich Transitgebühren von 50 bis 100 Millionen US-Dollar abfallen, verspricht Unocal-Vizepräsident Marty F. Miller.

Eigentlich stammt der Plan für die Pipeline von der argentinischen Bridas Oil, die mit 200 Millionen Dollar Investitionen schon Anfang der 90er Jahre in Turkmenistan eingestiegen war. Unocal zog mit einem eigenen Plan nach, der der Gas- eine Ölleitung hinzufügte und das Gesamtprojekt damit auf 4,5 Milliarden Dollar brachte. Daß sich Turkmenistan und Pakistan vertragsbrüchig für die Unocal- Variante entschieden, ist der massiven Einflußnahme der US-Regierung zu verdanken. Bridas-Chef Carlos Bulgheroni reichte dagegen Klage bei der Internationalen Handelskammer ein; das Verfahren ist bis heute anhängig.

Vielleicht kann er nach der Unocal-Wende auf den Rechtsstreit verzichten. Denn jetzt ist Bridas im Vorteil, wenn die Taliban den Pipelinebau nicht auf den St. Nimmerleinstag verschieben wollen. Außerdem hat Bridas eine saudiarabische Firma in sein Boot geholt, die mit dem saudischen Geheimdienstchef Prinz Turki al-Faisal in Verbindung steht. Und der gilt als Hauptgeldgeber der Taliban-Religionspolizei, die „unislamisch“ gekleidete Frauen drangsaliert und nachts in Häuser eindringt, um deren Bewohner beim Fernsehen oder anderen Sünden zu ertappen. Thomas Ruttig

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