: Wetterwendischer Schimon Peres
Der Chef der israelischen Arbeitspartei will mit einer hauchdünnen Mehrheit regieren ■ P O R T R A I T
Von Walter Saller
Wieder einmal ist unklar, ob Schimon Peres, Chef der israelischen Arbeitspartei, bei der entscheidenden Vertrauensabstimmung über eine von ihm geführte kleine Koalitionsregierung eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Knesset-Abgeordneten erhalten wird. Doch selbst wenn das Parlament eine Peres-Regierung bestätigen sollte, muß sich erst noch erweisen, ob die Politik der versprochenen Ministersessel und Finanzzusagen auch eine längerfristige Regierungsarbeit ermöglicht. Selbst wenn indes eine Peres -Regierung nur einen einzigen Tag überleben sollte, würde Peres und nicht Likud-Chef Schamir die Interims-Regierung führen, bis es zu Neuwahlen kommt.
Trotz ausgeprägt wandlungsfähiger Charakterzüge ist Schimon Peres allerdings kaum der optimale Politiker, die gegenwärtige außenpolitische Polarisierung seiner Nation abzumildern. Selbst unter seinen eigenen Parteigängern ist er keinesfalls unumstritten. Denn schon immer hat es der 1923 im weißrussischen Wischniawa als Szymon Persky geborene und 1934 nach Palästina emigrierte Politiker verstanden, Freund wie Feind vor den Kopf zu stoßen. Stets war er daher den rachsüchtigen Anwürfen seiner zahlreichen Gegner ausgesetzt. Vor allem während der Wahlen von 1981 und 1984 versuchten seine Gegner, ihn auf jede nur erdenkliche Weise zu diffamieren. Neben den durchaus wahlüblichen Beschuldigungen, Peres sei ein „notorischer Lügner“, ein „maßloser Intrigant“ und „gnadenloser Technokrat“, wurde ihm gar die - in Israel überaus wichtige - lupenreine jüdische Herkunft bestritten. Er sei, hieß es da, illegitimer Sproß einer arabischen Mutter. Doch Peres blieb nicht untätig und ließ sein ramponiertes Image von einer renommierten US-PR -Agentur gründlich aufpolieren: mit durchschlagendem Erfolg. Schon 1985 - ein Jahr nach seinem Amtsantritt als Führer der ersten großen Regierungskoalition - nannten bei einer repräsentativen Umfrage nach dem beliebtesten Politiker mehr als zwei Drittel aller Befragten seinen Namen. Doch eine von Peres oft gezeigte Unversöhnlichkeit und die Niederungen der Tagespolitik haben den 68jährigen diesen Beliebtheitsbonus schnell wieder verlieren lassen. Weit vor ihm liegt heute in der Publikumsgunst sein innerparteilicher Rivale Izchak Rabin.
Peres, der seine Jugend teilweise in einem Kibbuz verbrachte, betätigte sich schon früh politisch. Von 1941 bis 1945 war er Generalsekretär der Jugendbewegung der „Histadrut„-Gewerkschaft. Auch in der jüdischen Selbstschutzorganisation „Haganah“ war er aktiv. Der unaufhaltsame Aufstieg des Schimon Peres begann nach Abschluß seines Studiums der Verwaltungswissenschaften in Harvard mit Beginn der 50er Jahre. Damals wurde er von Verteidigungsminister Levi Eschkol zum Generaldirektor für Waffenbeschaffung erkoren. 1959 wurde Peres dann Knesset -Abgeordneter und blieb bis 1965 stellvertretender Verteidigungsminister. Später bekleidete er eine Reihe unterschiedlicher Ministerposten. Scharfe Kritik äußerte Peres 1982 an der israelischen Libanon-Invasion. Und auch für das „Palästinenserproblem“ sah er stets nur eine politische Lösung.
1984 wurde Peres Premierminister der „Regierung der nationalen Einheit“. Zwei Jahre später machte er das Amt wie vereinbart - für Schamir, den Führer des rechtskonservativen Likud, frei. Im Wahlkampf von 1988 spielte er von vorneherein nur die zweite Geige und mußte sich mit dem Finanzministerium begnügen. Sollte die Knesset nun einer Regierung Peres das Vertrauen aussprechen, so wird der Premier Peres wohl versuchen, den stagnierenden Friedensprozeß wieder voranzutreiben und mit den Palästinensern über die Zukunft von Westbank und Gazastreifen zu verhandeln. Damit freilich, daß seine Politik der offenen Hand auch zu einer Politik der freien Hand führt, kann Peres nicht rechnen. Zu tief und zu emotional sind in Israel Wahlvolk und Parlamentsvertreter in allen entscheidenden außenpolitischen Fragen gespalten. Und das fatalerweise in zwei gleich große Blöcke.
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