: Wettbewerb alt und neu gefährdet
Bundeskartellamt ermittelt gegen neue Einzelhandelskonzerne wegen des Dumpingvorwurfs: Lidl, Aldi & Co um Stellungnahme gebeten. Auch Internet-Plattform der Autokonzerne Daimler, Ford, Renault und GM gerät ins Visier
von REINER METZGER
Das Bundeskartellamt sorgt sich weiter um die Dauertiefpreise im deutschen Einzelhandel. Gestern gab das Bonner Amt bekannt, es habe Einzelhandelsfirmen hinsichtlich des so genannten Einstandspreises zu einer Stellungnahme aufgefordert. Es handelt sich dabei um den Preis für Produkte, den die Handelskonzerne an Lieferanten zahlen. Er darf nicht höher liegen als der Verkaufspreis. Mit der Prüfung und einem eventuellen Verbot wolle man unfairem Wettbewerb entgegenwirken, sagte Kartellamtspräsident Ulf Böge.
Großunternehmen dürften auf Grund ihrer überlegenen Marktmacht nicht die Gelegenheit bekommen, „mittelständische Unternehmen durch gezielte Strategien vom Markt zu verdrängen“. Der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis könne jedoch eine solche Konsequenz zur Folge haben, sagte Böge. In den ausgearbeiteten Auslegungsgrundsätzen habe die Behörde deshalb die Begriffe der „überlegenen Marktmacht“ und des „Einstandspreises“ definiert.
Vor einem Jahr hatte das Amt gegen Metro (Real, Metro-Großmärkte) und Rewe ermittelt – bislang ergebnislos. Nun sind Lidl, Aldi, Plus, Norma und der neue Konkurrent Wal-Mart dran. Der US-Riese ist der größte Einzelhandelskonzern der Welt und gilt als unschlagbar effektiv. Sein Auftreten in Deutschland soll den Preiskampf ausgelöst haben, behauptet die Branche. Das Bundeskartellamt will seinen Bericht nach dem Ende der Sommerpause verfasst haben.
Das Amt befasst sich nicht nur mit althergebrachtem Dumping im Einzelhandel, sondern hat auch die New Economy im Blick. Denn seit sich dort die ganz Großen der bisherigen Wirtschaft breit machen, droht in manchen Bereichen ebenfalls die Marktbeherrschung durch wenige. Beispiel ist die Gründung immer neuer Internet-Plattformen zur Warenbeschaffung in der Industrie, neudeutsch B2B oder Business-to-business genannt.
Kartellamtspräsident Böge kündigte gestern an, die Behörde werde anhand der gemeinsamen Internet-Plattform der Automobilhersteller Ford, General Motors, DaimlerChrysler und Renault/Nissan die wettbewerbsrechtlichen Probleme derartiger E-Commerce-Lösungen untersuchen. Zulieferer dieser Riesen sollen über kurz oder lang alle über die gleiche Software per Internet ihre Aufträge abwickeln. „Das Bundeskartellamt betritt mit der Prüfung von Internet-Plattformen Neuland“, räumte Böge ein.
Wichtig sei für die Behörde vor allem, wie die Zulieferer Fragen des freien Zugangs zur Plattform, der Gewährleistung der Vertraulichkeit des Datenaustauschs und die Gefahr von Absprachen einschätzten, sagte Böge. Dabei nutzt das Kartellamt selbst die neuen Möglichkeiten des Internets. Auf der eigenen Homepage (http://www.bundeskartellamt.de) präsentiert die Behörden den Zulieferern eine Beschreibung der geplanten Automobil-Internet-Plattform „Covisint“.
Böge bezeichnete „Covisint“ als Musterfall, mit dem die Wettbewerbshüter erstmals eine öffentliche Diskussion über die boomenden Business-to-Business-Plattformen erreichen wollten. Denn offensichtlich bestehe die Gefahr einer verbotenen Nachfragebündelung oder unzulässiger Zugangsbeschränkungen. „Ein Kartell bleibt auch im Internet ein Kartell“, warnte Böge.
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