Westerwelles Treffen mit Ahmadinedschad: Dummheit und Gefahr
Während die Demokratiebewegung in Iran alles andere aus Europa bräuchte, spielt "Bild am Sonntag" dem Regime mit einem Bild von Westerwelle und Ahmadinedschad in die Hände.
Freundliches Shakehands mit Mahmud Ahmadinedschad. Das ist das Bild, das iranische Fernsehzuschauer seit Guido Westerwelles Besuch am Wochenende immer wieder sehen durften. Vermutlich wird das iranische Staatsfernsehen es auch in Zukunft häufig zeigen, wenn die EU-Außenminister noch einmal drohen, Iran vorerst nicht zu besuchen. Dem stellvertretenden iranischen Außenminister steht der Triumph ins Gesicht geschrieben, als er vor die Kameras tritt und erklärt, der Besuch des deutschen Außenministers sei die Verletzung eines EU-Beschlusses gewesen.
Dabei hätte Guido Westerwelle kaum anders handeln können. Er ist erpresst worden. Doch was ist der eigentliche Hintergrund dieses Bildes? Zwei Reporter von Bild am Sonntag waren im Oktober bei dem Versuch, ein Interview mit dem Sohn der zum Tode verurteilten Sakineh Aschtiani zu führen, festgenommen worden. Aschtiani war nach einer dubiosen Anklage wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt worden. Kürzlich ist die Strafe angeblich ausgesetzt und in eine Haftstrafe umgewandelt worden. Dafür scheint auch eine internationale Kampagne verantwortlich zu sein, die die in Köln lebende Mina Ahadi mit initiierte.
Den beiden Deutschen wurde zur Last gelegt, dass sie mit einem Touristenvisum eingereist seien. Indem sie den Sohn Aschtianis ohne Akkreditierung interviewten, haben sie gegen iranisches Recht verstoßen. Zudem haben die beiden während des Interviews Mina Ahadi telefonisch als Übersetzerin hinzugezogen. Aus iranischer Sicht ist entscheidend, dass Ahadi dem Politbüro der Arbeiterkommunistischen Partei Irans angehört, die sich den revolutionären Sturz der Islamischen Republik auf ihre Fahne geschrieben hat und in Iran als terroristisch gilt. Egal was davon zu halten ist, aber auch in Deutschland wird die Partei als ausländerextremistisch vom Verfassungsschutz beobachtet.
Ahadi steht zudem auch unter Exiliranern und den Mitgliedern der iranischen Demokratiebewegung in zweifelhaftem Ruf. Denn er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass eine Veranstaltung, zu der die Heinrich-Böll-Stiftung im Jahre 2000 reformorientierte Intellektuelle eingeladen hatte, mit einem Eklat endete. Er führte zur langjährigen Inhaftierung mehrerer Teilnehmer. Die ehemals Inhaftierten - beispielsweise Akbar Gandschi - werfen Mina Ahadi vor, dies billigend in Kauf genommen zu haben, um sich in Szene zu setzen.
Jetzt, wo die beiden frei sind, kann man es aussprechen: Diese Reise war eine Mischung aus Dummheit und Verantwortungslosigkeit. Denn die Redaktion musste wissen, dass sie die Reporter ins offene Messer laufen lässt: Natürlich war angesichts der internationalen Kampagne für seine Mutter davon auszugehen, dass das Haus von Sajjad Ghadersadeh überwacht und das Telefon abgehört würde. Dass ein Vergehen wie die Einreise ohne gültiges Journalistenvisum den Behörden einen Vorwand liefern würde, hätte man ebenso wissen müssen. Und eine Aktivistin, deren Organisation in Iran als terroristisch eingestuft wird, als Übersetzerin am Telefon zuzuschalten ist an Tollpatschigkeit kaum zu überbieten. Vielleicht hätte sich die BamS bei ihrem ärgsten Feind kundig machen sollen, wie man einen investigativen Coup landet, bei Günter Wallraff.
Aber die letzte Verantwortung liegt bei der Redaktion. Mit ihrem unverantwortlichen Vorgehen hat die BamS die deutsche Iranpolitik über Monate hinweg lahmgelegt. Und ausgerechnet am letzten Sonntag, als wieder Zehntausende bei Massenprotesten ihr Leben riskierten, wurde die deutsche Außenpolitik zu einem Kotau vor den iranischen Machthabern gezwungen. BamS hat dem iranischen Regime zu einem Propagandaerfolg verholfen, ausgerechnet in einer Woche, in der die iranische Demokratiebewegung wahrlich andere Signale aus Deutschland gebraucht hätte. Doch während Demonstranten niedergeschossen und niedergeknüppelt wurden, zwang BamS den deutschen Außenminister, dem iranischen Staatsfernsehen ein Foto vom Shakehands mit Ahmadinedschad zu liefern. Danke, Bild, für dieses Bild!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu