Westen versus Rest der Welt: Atomkontrollchef gesucht
Die Internationale Atomenergiebehörde sucht einen neuen Chef. Die ersten Wahlgänge bringen keine Mehrheit, so geht der Streit zwischen Westen und dem Rest der Welt in die nächste Runde.
![](https://taz.de/picture/357265/14/10338576.jpg)
Wer wird Nachfolger des Ägypters Mohammed al-Baradei als Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO? Bei den ersten drei Wahlgängen im 35-köpfigen Gouverneursrat der IAEO erreichte am Donnerstag weder Japans Botschafter Yukiya Amano, 61, noch der südafrikanische Botschafter Abdul Samud Minty, 69, die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 24 Stimmen.
In den ersten beiden Wahlgängen votierten jeweils 21 Mitgliedstaaten im Gouverneursrat für Amano und 14 für Minty. Im dritten Wahlgang musste der Japaner eine Stimme an den Südafrikaner abgeben. Bei zwei weiteren für Freitag vorgesehenen Wahlgängen reicht die Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen - im Fall von Enthaltungen würden also auch weniger als 24 Stimmen zum Wahlsieg reichen.
Sollte sich dennoch auch heute keiner der beiden Bewerber durchsetzen, wird der Posten für vier Wochen für neue BewerberInnen ausgeschrieben.
In Wien kursieren für diesen Fall bereits unter anderem die Namen des mexikanischen Expräsidenten Ernesto Zedillo sowie des Leiters der UN-Behörde zur Überwachung des internationalen atomaren Teststoppabkommens (CTBTO), des Ungarn Tibor Toth. Die Entscheidung über den künftigen IAEO-Generaldirektor muss bis Juni gefallen sein. Al-Baradei , der nach zwölf Jahren an der Spitze der Organisation auf eine vierte Amtszeit verzichtet hatte, verlässt den Posten im November.
Der Japaner Amano ist ein stiller Diplomat und Technokrat, dem Kritiker mangelndes Charisma vorhalten. Er ist der Kandidat der USA und der anderen westlichen Mitgliedstaaten im Gouverneursrat, zu denen seit 1972 ununterbrochen auch Deutschland gehört (bis 1990 die Bundesrepublik). Hinter dem Südafrikaner hingegen stehen China, Indien sowie alle anderen Mitgliedstaaten des Gouverneursrats aus Asien und Afrika sowie die meisten aus Lateinamerika. Minty war Aktivist im Kampf gegen die Apartheid und einer der schärfsten Kritiker des südafrikanischen Atomwaffenprogramms der 70er- und 80er-Jahre. Der charismatische Diplomat erinnert oft daran, dass die fünf Atomwaffenmächte und ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien mit ihrer Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag eine völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung zur Abrüstung ihrer Arsenale eingegangen sind.
In den Debatten um das iranische Atomprogramm verteidigt Minty stets das ebenfalls im Sperrvertrag völkerrechtlich verbriefte Recht Teherans zur Anreicherung von Uran - Gründe genug für die USA, noch unter George W. Bush in vielen Hauptstädten gegen Minty Lobbyarbeit zu betreiben.
Ihr Argument, die IAEO habe eine "rein technische Aufgabe", und "die Politisierung der Organisation durch ihren Generaldirektor" müsse aufhören, zielt allerdings auf den bisherigen Amtsinhaber al-Baradei. Ihn hatten die USA 1997 selber als Kompromisskandidaten vorgeschlagen und durchgesetzt, nachdem keiner der ursprünglichen Bewerber damals die erforderliche Mehrheit im Gouverneursrat hatte erreichen können. Nachdem al-Baradei aber vor dem Irakkrieg vom Frühjahr 2003 der Behauptung der Bush-Administration offen widersprach, es gebe eindeutige Beweise oder auch nur plausible Hinweise für ein irakisches Atomwaffenprogramm, fiel er in Washington in Ungnade. Schon vor vier Jahren versuchte der damalige UN-Botschafter der USA, John Bolton, al-Baradeis Wiederwahl zu verhindern. Das gelang nicht. Stattdessen erhielt al-Baradei den Friedensnobelpreis.
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