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Westberliner ReliktKirche gerät aus den Fugen

Als "Fugenpaten" sollen die Berliner die Gedächtniskirche retten. Aus der Ruine am Breitscheidplatz bröckelt der Mörtel, eine Sanierung kostet 3,5 Millionen Euro. Darum sind Spender dringend gesucht.

Noch strahlt das alte Westberliner Relikt. Doch wer weiß wie lange noch. Aus der Ruine bröckelt der Mörtel. Bild: DPA

Der dunkle Sandstein der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche sieht heruntergekommen aus. Roland Strehlke zeigt auf die einzelnen Fugen zwischen den großen Steinblöcken. "Dort muss neuer Mörtel rein", sagt er, "und dort." In den meisten Ritzen, wo einst frischer Mörtel die Blöcke zusammenhielt, ist kaum noch Putz übrig. Strehlke macht Kälte und Feuchtigkeit für den Verschleiß verantwortlich: "Wenn Wasser in die Fugen kommt und gefriert, dehnt es sich aus", erklärt der Mitarbeiter der Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, die auch Eigentümerin der Kirche ist. "Und dann kann es passieren, dass der Stein rissig wird oder gar zerspringt."

Die Folge: Wenn die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz nicht bald saniert wird, droht sie laut Strehlke zu verfallen. Dafür sei nicht nur das Wetter, sondern auch die Erschütterung durch die U-Bahn direkt unter der Straße verantwortlich.Um das Berliner Wahrzeichen zu retten, hat Strehlke, zusammen mit anderen Mitarbeitern der Stiftung, vor gut zwei Monaten ein Projekt ins Leben gerufen, das Geld für die Außensanierung der Kirche sammeln soll. Es nennt sich Fugenpatenschaft.

"Wer Fugenpate werden will, bezahlt einmalig 100 Euro", erläutert Strehlke. "Dann bekommt man eine eigene Fuge in der Kirchenfassade zugewiesen und eine Urkunde, auf der deren exakter Ort festgeschrieben ist." Großzügige dürften aber auch gerne mehr spenden, betont Strehlke.

Die eiserne Fuge für 100 Euro sei die günstigste. Darüber hinaus gebe es die bronzene, die silberne, die goldene und für die ganz Spendablen die Platinfuge für stolze 5.000 Euro. "Die Platinfugen in den Bögen am Ostturm sind groß und besonders gut sichtbar. Deshalb kosten sie so viel", erklärt der Stiftungsmitarbeiter den Preis. Die anderen Fugenklassen sind über die Kirche verteilt, vom Rumpf bis hin zum Glockenturm.

Um die leeren Ritzen der Fassade mit Spezialmörtel aufzufüllen, müsste die Stiftung rund 3,5 Millionen Euro ausgeben. "Das Geld haben wir im Moment nicht", sagt Wolfgang Kuhla vom Kuratorium der Stiftung. "Wir wollten auch von vornherein keine Unterstützung von der Landeskirche annehmen", fügt er hinzu. Mit der Spendenaktion wolle man "individuelles Engagement" der Bürger fördern.

Und zeigen, dass den Berlinern der Erhalt "ihrer" Kirche eine 100-Euro-Spende wert ist. Bisher hat die Gedächtniskirche 82 Fugenpaten, die zusammen 35.000 Euro gespendet haben. Kuhla zeigt sich optimistisch: "Wir wollen im Frühjahr nächsten Jahres mit den Bauarbeiten beginnen." Dann werde das Geld schon beisammen sein.

Viele der bisherigen Spenderpaten verbinde ein persönliches Ereignis mit der Kirche, begründet Roland Strehlke die Frage, warum man Geld für eine Fuge ausgeben sollte. "Die einen haben miterlebt, wie das Gotteshaus im Bombenkrieg 1943 zerstört und hinterher als Mahnmal wiederaufgebaut wurde", sagt er. Für andere sei es schlicht ein Wahrzeichen wie das Brandenburger Tor oder der Fernsehturm - auch Bauwerke, die nicht einfach verfallen dürften. In den 50er-Jahren habe man noch über den Abriss der Gedächtniskirche diskutiert. "Heute ist das für die Berliner undenkbar."

Neben der Fugenpatenschaft organisiert die Kirchenstiftung weitere Spendenaktionen, darunter Benefizkonzerte und Kunstausstellungen. Am 4. September etwa findet eine Vernissage statt, in der zwölf Künstler aus verschiedenen Ländern ihre Bilder von der Kirche präsentieren. "Danach hängen die Kunstwerke zwei Wochen lang in der Kapelle, bevor sie beim Auktionshaus Christies versteigert werden", sagt Strehlke. Der Erlös komme vollständig der Sanierung zugute. Außerdem will Eckart von Hirschhausen, Kabarettist und Arzt, am 31. August mit zehn Auserwählten den Alten Turm besteigen. Die Teilnahme kann man sich laut Strehlke bei dem Internetauktionshaus eBay ersteigern.

Insgesamt hat die Stiftung bisher etwa eine halbe Million Euro gesammelt. Wenn es nach Wolfgang Kuhla geht, soll auch das Land Berlin die Gedächtniskirche retten: Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) habe bereits, so Kuhla, 1,5 Millionen Euro Unterstützung in Aussicht gestellt.

Auf Nachfrage der taz erklärte der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Marko Rosteck, allerdings, dass die Stiftung weder einen Antrag auf Förderung gestellt noch eine Zusicherung von 1,5 Millionen Euro erhalten habe. "Wir müssen erst einmal schauen, inwieweit sich die Stadt beteiligt."

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