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Westbalkan-KonferenzUm Schicksale schachern

Auf dem Treffen in Wien wollen die Staaten nach Lösungen in der Flüchtlingskrise suchen. Die UN fordern unterdessen die Einrichtung sogenannter Hotspots.

Polizisten kontrollieren Flüchtlinge an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. Foto: dpa

WIEN/Genf dpa/afp | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will bei der Westbalkan-Konferenz über die wachsende Zahl von Asylbewerbern aus dieser Region beraten. Zu der Konferenz werden am Donnerstag neben der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auch die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Serbien in der österreichischen Hauptstadt Wien erwartet. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylbewerber in Deutschland aus diesen sechs Balkanstaaten.

Auch Gastgeber Österreich ist von dem Flüchtlingszustrom stark betroffen. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte in den ARD-„Tagesthemen“ einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, um für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa zu sorgen. „Faktum ist, dass es 18 Länder in der Europäischen Union gibt, die alle gemeinsam nicht so viele Flüchtlinge haben wie Österreich.“

Polens Präsident Andrzej Duda äußerte sich zurückhaltend zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Zwar wolle sich „Polen als EU-Mitglied ... solidarisch zeigen, aber was Flüchtlinge angeht, haben wir ein besonderes Problem wegen des Konflikts in der Ukraine“, sagte Duda der Bild-Zeitung. So lange „der Krieg andauert, werden weiterhin Tausende Ukrainer außer Landes fliehen, vor allem nach Ungarn und nach Polen“.

Schon jetzt gebe es Hinweise, dass mehrere Hunderttausend Ukrainer nach Polen flüchten wollen. „Andere Staaten Europas sollten das berücksichtigen, wenn wir über Hilfsbereitschaft sprechen“, sagte Duda. Der nationalkonservative Präsident kommt an diesem Freitag zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin.

Registrierung an den Außengrenzen

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, forderte am Mittwoch erneut ein besseres System für die legale Aufnahme von Asylsuchenden. Nur so könne man Flüchtlinge vor Schleppern schützen, sagte Guterres in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem französischen Innenminister Bernard Cazeneuve in Genf. „Wenn wir gegen Menschenhändler kämpfen, die Opfer schützen und ein System in die Wege leiten, das es Flüchtlingen erlaubt, legal Asyl zu suchen, dann werden wir Erfolg haben“, so Guterres.

Beide forderten die schnelle Einrichtung von Hotspots. Dabei handelt es sich um von der EU finanzierte Registrierungszentren an den Außengrenzen, in denen die Schutzbedürftigkeit der ankommenden Flüchtlinge vorab geprüft werden soll.

Die Westbalkan-Konferenz, 2014 ins Leben gerufen und zunächst bis 2018 terminiert, soll das Bekenntnis unterstreichen, dass die Balkanstaaten in der EU eine Heimat finden können. Bisher sind nur Slowenien (2004) und Kroatien (2013) in die EU aufgenommen worden.

Ungarn verstärkt Grenzen

Die EU-Kommission will Länder aus der Region einem Medienbericht zufolge mit einem neuen Hilfsprogramm für ein verbessertes „Migrationsmanagement“ stärker unterstützen. Von September an sollen die Staaten des Westbalkans und die Türkei acht Millionen Euro erhalten, um Flüchtlinge besser identifizieren und versorgen zu können, wie die Zeitung Die Welt unter Berufung auf informierte Kreise der Europäischen Kommission berichtete.

Um den Zustrom von Flüchtlingen über die „Balkan-Route“ einzudämmen, verstärkt Ungarn seine Grenze mit Serbien weiter, wo derzeit ein 175 Kilometer langer Zaun errichtet wird. Die erste Sperrlinie – ein bis zu eineinhalb Meter hoher Stacheldrahtzaun – ist fast fertig. Bis Mitte September sollen zudem sechs „Grenzjäger“-Einheiten mit 2100 Mann einsatzbereit sein. Ungarn erwägt sogar, die Armee gegen Flüchtlinge einzusetzen. Die „Balkan-Route“ führt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. Ungarn ist für Flüchtlinge ein Transitland, kein Zielland.

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