West-Eastern Divan Orchestra: Beethoven in Zeiten des Krieges

Junge Musiker aus Israel und Palästina musizieren unter Leitung von Daniel Barenboim gemeinsam. Doch wie gehen sie mit dem Gazakrieg um? Wir haben viele Fragen aneinander, berichtet einer.

Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra in Berlin: Seit mehr als zehn Jahren spielen hier Israelis und Araber zusammen. Bild: Johannes Eisele/Reuters

85 Musiker aus Israel und Palästina, junge Künstler aus dem gesamten arabischen Raum. Wie können sie miteinander musizieren in diesen Zeiten, da in Gaza die Menschen sterben? "Unsere Musik ist jetzt noch konzentrierter", sagt Daniel Barenboim.

Der Generalmusikdirektor der Staatsoper versucht zu erklären, wie die Musikerinnen und Musiker seines West-Eastern Divan Orchestra mit dem Gazakrieg umgehen. Er hat an diesem Sonntag vier von ihnen neben sich sitzen, sie kommen aus Israel und Palästina. Sie sollen schildern, was es für sie bedeutet, dass in ihrer Heimat Krieg herrscht. Und auch, wie sie damit untereinander umgehen. Krieg und Musik - eine hochemotionale Kombination.

Den ganzen Vormittag hat das weltberühmte Orchester geprobt. Nach sechs Monaten Pause beginnt in Berlin seine Jubiläumstournee, Brahms 4. und Beethovens 5. Symphonie stehen am Montagabend auf dem Spielplan. Alles soll bei den zwei Konzerten glattgehen. Denn dass die Musiker hier in Berlin auftreten, war eigentlich nicht geplant: Die Tournee sollte in Kairo beginnen. Aber weil in Ägypten niemand ihre Sicherheit garantieren konnte, sind die Künstler nun nach Berlin gereist. So greifbar sind die Folgen eines Krieges selten in Europa.

Zehn Jahre gibt es das West-Eastern Divan Orchestra. 1999 wurde es von Barenboim und dem palästinensischen Intellektuellen Edward Said gegründet; die jungen Musiker, die aus Ägypten, Syrien, dem Libanon, Jordanien, Tunesien und Israel kommen, treffen sich einmal im Jahr, um zu proben und aufzutreten. Der Jüngste ist ein elfjähriger Geiger aus Ramallah.

Im prächtigen Apollosaal sitzen sie beieinander: Barenboim; Mariam Said, die Witwe von Edward Said; der Geiger Nabeel Abboud Ashkar, palästinensischer Israeli; Ramzi Aburedwan, palästinensischer Bratschist aus Ramallah; Guy Braunstein, 1. Konzertmeister der Berliner Philharmoniker aus Tel Aviv; und Meirav Kadichevski, Oboistin aus Israel. Sie erzählen, wie sie sich in Berlin wiedersahen, wie sie sich alle miteinander hinsetzten - hinsetzen mussten -, um über den Krieg daheim zu sprechen.

Gefragt, wie das abgelaufen sei, erzählt Kadichevski, dass sie vor allem Fragen aneinander hatten: "Was ist wirklich los bei euch? Warum attackieren wir einander? Und wovor fürchten wir uns?" Man spürt, wie jeder auf seine Weise betroffen ist von dem, was Israelis und Palästinenser einander antun. Alle haben sie Verwandte, Freunde daheim. Die Furcht um ihr Leben ist berechtigt, 900 Tote, tausende Verletzte hat dieser Krieg schon gekostet - wie soll es je wieder eine Verständigung geben zwischen Israelis und Palästinensern?

Der Maestro mischt sich ein. "Verzeihen ist möglich", sagt er. Wie groß trotzdem die persönliche Betroffenheit ist, spürt, wer am Ende Ramzi Aburedwan zuhört. Der Bratschist aus Ramallah kündigt an, am Montag nach dem ersten Konzert mit Freunden auf dem Bebelplatz Kerzen anzuzünden, zum Gedenken an die palästinensischen Opfer. "Aber das", betont er, "ist nur meine Initiative. Das ist rein privat."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.