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Werder-Spieler müssen wieder mehr denken

Erst Verletzungsschocks, dann ein aufregender Neuzugang – Bremens Fans erleben ein Wechselbad, lange bevor die Fußball-Bundesliga startet

Von Ralf Lorenzen

Alles beim Alten: Das hätte man denken können beim Blick auf die Startelf-Aufstellung des SV Werder Bremen, als am Samstag im Tiroler Sommer-Quartier das Testspiel gegen Parma Calcio anstand (0:0). Bremens neuer Trainer Horst Steffen bot gleich zehn Spieler auf, die in der Vorsaison unter seinem Vorgänger Ole Werner knapp den Europapokal verpasst haben. Mit dem österreichischem Verteidiger Maximilian Wöber stand lediglich ein Neuzugang auf dem Platz.

Tatsächlich ist bei Werder gerade aber mehr in Bewegung, als diese Aufstellung verrät. Die Fans haben seit dem ersten Trainingstag vor drei Wochen bereits ein Wechselbad der Gefühle hinter sich: Das erste Training war wenige Minuten alt, da musste Stürmer Marvin Ducksch es mit einer Muskelverletzung an der Wade abbrechen. Wenige Tage später erwischte es Mittelfeldmotor Jens Stage im ersten Testspiel gegen Verden – Mittelfuß. Konnte man sich bei den beiden Topscorern der vergangenen Saison noch damit trösten, dass sie voraussichtlich zum Saisonstart einsatzbereit sind, wurde die Verletzung von Mitchell Weiser dann zum richtigen Stimmungsdämpfer: Kreuzbandriss, Ausfallzeit mehrere Monate.

Ein handlungsfähiger Verein

Die erste Aufhellung folgte am vergangenen Freitag: Werder verpflichtete das belgische Sturmtalent Samuel Mbangula von Juventus Turin. Der 21-Jährige war bislang zwar hauptsächlich bei Experten bekannt; die sind sich aber einig, dass er ein Riesenpotenzial mitbringt. Die vereinbarte Ablösesumme von zehn Millionen Euro ist ein deutliches Zeichen an das Umfeld, dass Werder finanziell handlungsfähig ist –und bereit, ins Risiko zu gehen. Die Basis für diesen Kurs bilden die knapp 40 Millionen Euro, die ein regionales Bündnis vor eineinhalb Jahren in den Klub investiert hat.

Neben dem kurzfristigen sportlichen Mehrwert ist mit dem zweitteuersten Einkauf der Werder-Geschichte die Hoffnung verbunden, Mbangula so weiterzuentwickeln, dass er später mit erheblichem Gewinn weiterverkauft werden kann. So wie es bereits in diesem Sommer bei Romano Schmid der Fall sein könnte: An dem sollen mehrere Premier League-Clubs interessiert sein, sein Marktwert wird augenblicklich auf 17 Millionen Euro taxiert. Als weiterer Verkaufskandidat gilt vor allem Marvin Ducksch, Marktwert: sechs Millionen Euro.

Spannung verspricht die Frage, ob die möglichen Abgänge durch weitere Neuverpflichtungen ersetzt werden, oder die Verantwortlichen künftig vermehrt dem eigenen Nachwuchs Chancen einräumen. Der Stachel des ablösefreien Abgangs von Nick Woltemade, den viele Beobachter mit dessen geringer Spielzeit in Bremen in Verbindung bringen, sitzt immer noch tief. Nach nur einem Jahr in Stuttgart gilt Woltemade als einer der begehrtesten Stürmer in Europa. Mit Horst Steffen indes hat Werder bewusst einen Trainer verpflichtet, der bei der SV Elversberg gezeigt hat, dass er mit jungen, talentierten Spielern erfolgreichen Fußball zu spielen weiß.

In der zweiten Halbzeit der zwei Mal 60 Minuten gegen Parma schickte Steffen jetzt vor allem Spieler aufs Feld, die bei Ole Werner kaum Berücksichtigung fanden oder verliehen waren. Dazu kamen vier Spieler aus der letztjährigen U19, die den DFB-Pokal gewonnen hat. Die Hoffnung ist groß, dass sich unter Wesley Adeh, Patrice Covic oder Salim Musah ein neuer Woltemade befindet.

Steffen steht wie schon Werner vor der Aufgabe, die individuelle Entwicklung einzelner Spieler mit dem Mannschaftserfolg unter einen Hut zu bringen. Diese geht er mit einem 4231-System an, das ereignisreichen Offensiv-Fußball verspricht. „Klar, es ist immer noch derselbe Sport, aber im Drumherum verändert sich gerade sehr viel für uns“, sagte Abwehrspieler Niklas Stark im Trainingslager. „Übertrieben gesagt, waren wir schon ein bisschen eingesessen und wussten mehr oder weniger, was wir in der Woche trainieren und wann es was zu essen gibt. Jetzt müssen wir wieder mehr denken, und das ist nicht schlecht.“

Der erste Härtetest erfolgt am 15. August im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld – wo Werder in der letzten Saison aus dem Wettbewerb flog.

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